Freitag, 27. November 2020

Merkwürdige Praktiken einiger Rechtsanwälte bei Inkasso-Geschäften

Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. So lautet der § 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung. Was das im Einzelnen bedeutet, darüber will ich in diesem Beitrag gar nicht näher eingehen. Aber ich denke, dass es keine zwei Meinungen geben sollte, dass man landläufig (auch) darunter verstehen kann (oder sogar muss), dass die Tätigkeit eines Rechtsanwalts eine solche ist, der man bedingungslos vertrauen kann, ja sogar vertrauen muss.

Jeder Mensch kann einmal irren, jeder kann mal Fehler machen. Davon rede ich nicht, sondern es geht mir darum, wie ein Beruf grundsätzlich ausgeübt wird. Der Anlass für diesen Beitrag war der, dass mir in letzter Zeit Schreiben einzelner Rechtsanwälte begegnet sind, wo ich erhebliche Zweifel daran habe, ob deren Schriftsätze mit der Berufsethik, die der Beruf eines Rechtsanwalts haben sollte, noch vereinbar sind.

Um keinen falschen Eindruck aufkommen zu lassen: Ich will keine allgemeine Rechtsanwaltsschelte betreiben, aber gewisse Anwälte, die es offenbar zum Schwerpunkt ihrer Tätigkeit gemacht haben, Inkasso von Online-Händlern zu betreiben, agieren nach meinem Dafürhalten mit Methoden, die aus meiner Sicht sehr fragwürdig sind. Dabei geht es auch nicht darum, dass Inkasso-Geschäfte zum Tätigkeitsbereich eines Rechtsanwalts gehören. Es geht vielmehr um die Art und Weise, wie diese ausgeübt wird, wenn es um Online-Geschäfte geht.

Wenn ich meine Arzt-Rechnung nicht bezahlt habe und ich schließlich ein solches Rechtsanwaltsschreiben bekomme, dann ist sicherlich an folgender Formulierung nichts auszusetzen:

Unsere Mandantschaft hat uns beauftragt, nötigenfalls auch gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, sollte die Angelegenheit nicht außergerichtlich erledigt werden können. Auf die damit verbundenen weiteren Kosten und Unannehmlichkeiten weisen wir Sie ausdrücklich hin!

Aber im Gegensatz zu dem von mir gewählten Beispiel, wo es vermutlich unstrittig ist, dass ich die Kosten verursacht habe und deshalb deren Schuldner bin, steht dies gerade bei Geschäften im Internet eben nicht immer fest. Auch hier gibt es keine Regel, denn wenn ich zum wiederholten Male Lieferungen von einem Online-Händler bekommen (und bezahlt) habe, und zwar immer an die gleiche Adresse, dann darf man schon annehmen, dass ich zum Schuldner geworden bin, wenn ich die fünfte oder sechste Lieferung nicht bezahlt habe.

Aber leider nimmt es der Online-Handel bei der Prüfung, mit welcher Person ein Vertrag im Internet abgeschlossen wird, nicht sonderlich ernst und auch was die Auslieferung betrifft, so wird es durch die Praktiken einzelner Transportunternehmen den Betrügern leicht gemacht, die bestellte Ware anonym und fast gefahrlos in Empfang zu nehmen. Ich erlebe es im polizeilichen Alltag leider immer wieder, dass Personen mit einem Inkasso-Schreiben zu mir kommen und erklären, dass sie damit überhaupt nichts zu tun haben. Sehr oft ergeben dann die Ermittlungen, dass die Lieferung an eine Adresse geliefert wurde, die Hunderte Kilometer entfernt war, was die Behauptung unterlegt.

Solange überhaupt nicht feststeht, wer also der Schuldner ist, so ist die eingangs zitierte Formulierung eben nur die ‚halbe Wahrheit‘, weil richtig ist, dass der Gläubiger (das Inkasso-Unternehmen oder der Online-Händler) sehr wohl die Gerichte bemühen kann, aber es eben zur vollen Wahrheit gehört, dass dieses Bemühen zum Scheitern verurteilt ist, weil der Beweis nicht erbracht werden kann, wer der Schuldner ist. Der Hinweis auf weitere Kosten ist nach meinem Dafürhalten schon grenzwertig zur Lüge, wenn der Anwalt genau weiß oder zumindest wissen müsste, dass die nur dann gilt, wenn der Schuldner verurteilt wird.

Der Anlass für diesen Beitrag sind Rechtsanwaltsschreiben, die ich im Rahmen einer Anzeigenerstattung zur Kenntnis bekommen habe, wo die Sachlage noch eindeutiger ist und deshalb aus meiner Sicht deutlich wird, dass es hauptsächlich um Einschüchterung der vermeintlichen Schuldner geht:

Im Internet gibt es Websites, die pornographische Inhalte enthalten. Es ist nicht schwer zu erraten, dass hauptsächlich Männer zu der Kundschaft gehören, die solche Inhalte gerne sehen möchten. Nur kostet das etwas, was nachvollziehbar ist, denn nicht nur der Betrieb der Website verursacht Kosten, sondern auch die Darsteller der Inhalte wollen für ihre Dienstleistung entlohnt werden. Also kostet das Betrachten der Inhalte sozusagen ‚Eintrittsgeld‘.

Um dieses ‚Eintrittsgeld‘ zu erheben, gäbe es verschiedene Möglichkeiten, indem zum Beispiel sofort mit Kreditkarte gezahlt werden kann. Da aber viele der potentiellen Kunden entweder gar keine Kreditkarte haben oder diese dafür nicht einsetzen wollen, bedarf es anderer Lösungen.

Eine denkbare Lösung wäre, dass der Kunde seine Personalien eingeben muss und dann (online) eine Rechnung erhält. Sobald er das Geld bezahlt hat, ist das ‚Eintrittsgeld‘ entrichtet und er kann sich an den Inhalten bedienen. Aber auch diese Lösung scheidet für viele Betreiber aus, obwohl es eine sichere und saubere Lösung wäre, denn diese Prozedur dauert zu lange. Der Kunde ist jetzt im Moment scharf darauf, die versprochenen Inhalte zu konsumieren und wird zu einer anderen Website surfen, auf die der Zugang wesentlich schneller geht. Da die meisten Betreiber solcher Porno-Sites so denken und schließlich untereinander in Konkurrenz stehen, hat sich ein schnelles Verfahren durchgesetzt, welches aber letztendlich auf Vertrauen und Ehrlichkeit setzt:

Der Kunde muss sich zuerst einmal anmelden, wobei man im ersten Schritt nur eine E-Mail-Adresse braucht. Diese kann man sich bequem von einem der vielen Freemail-Provider auch unter falschem Namen (also anonym) besorgen. So kommt man also schon einmal in das „Vorzimmer“ der Website, wo man zumindest schon erkennen kann, was einem erwartet, wenn man schließlich ganz drin ist.

Wer ganz rein will, muss jetzt ein Online-Formular ausfüllen, wo nach seinen Personalien und seiner Bankverbindung gefragt wird. Sobald dies geschehen ist, öffnet sich die Pforte zum (virtuellen) Paradies. Wer ehrlich ist, der gibt seine richtigen Personalien und seine Bankverbindung an. Das ‚Eintrittsgeld‘ wird dann einfach vom Konto abgebucht. Allerdings öffnet sich die Pforte auch dann, wenn man die Personalien des Nachbars und die Bankverbindung seines Autohauses eingibt, die auf der letzten Rechnung gestanden hat. Überprüft wird das nicht, denn der Computer, der den Zugang frei gibt, kann die Daten höchstens auf Vollständigkeit und Plausibilität prüfen.

Zurück zum Schreiben des Rechtsanwalts, aus welchem ich zum Eingang meines Beitrags zitiert habe: Etwa ein halbes Jahr hat irgendeine Person an die virtuelle Pforte der Website geklopft und hat, um Einlass zu bekommen, irgendwelche Personalien und eine x-beliebige Bankverbindung eingegeben. Die Pforte hat sich danach geöffnet, aber als die Betreiberin der Website (eine Firma mit Sitz im Ausland) das Geld abbuchen wollte, hat der Kontoinhaber Widerspruch dagegen eingelegt. Schließlich hatte er offenbar mit der Sache nichts zu tun, weil die Bankverbindung wahllos gewählt wurde.

Die Sache wurde nun einem Inkasso-Unternehmen übergeben, welches zunächst feststellte, dass der Otto Mustermann an der angegebenen Adresse offenbar gar nicht auffindbar ist. Also recherchierte man in irgendwelchen Quellen und fand schließlich heraus, dass es tatsächlich einen Otto Mustermann gibt, auch wenn dieser an einem ganz anderen Ort wohnhaft ist. Also schickte das Inkasso-Unternehmen diesem Otto Mustermann ein Schreiben mit der Aufforderung, die noch offene Forderung so schnell als möglich zu begleichen. Das macht natürlich Herr Mustermann nicht, weil er mit der ganzen Sache nichts zu tun hat und von der besagten Website noch nie was gehört hat.

Wenn nun das Verfahren zu Ende wäre, dann gäbe es meinen Beitrag hier nicht. Aber leider erlebe ich immer wieder, dass die Forderung schließlich einem Rechtsanwalt übergeben wird, der schließlich ein Schreiben mit solchen Formulierungen, wie ich sie eingangs zitiert habe, an Herrn Mustermann schickt. Wenn damit Herr Mustermann eingeschüchtert wird, weil er an die möglichen Folgen denkt, dann wird er bezahlen. Anderenfalls geht er damit zur Polizei.

Was ist an diesem Schreiben auszusetzen? Dazu zitiere ich aus einem ähnlich lautenden Schreiben:

Ich weise rein formell darauf hin, dass Online Geschäfte im Internet denselben Gesetzen und der Gerichtsbarkeit unterliegen wie alle anderen Rechtsgeschäfte und daher von verbindlicher Natur sind. Sollten Sie den oben aufgeführten Betrag nicht innerhalb der vorgegebenen Frist einzahlen, werde ich meiner Mandantin empfehlen, die Forderung gerichtlich geltend zu machen, wodurch zusätzliche Kosten für Sie entstehen können. Beachten Sie bitte auch, dass unsere Kanzlei Vertragspartner der SCHUFA ist.

Rein formal ist an dem Schreiben nichts auszusetzen, aber die halbe Wahrheit ist, wenn dadurch der Gehalt der Aussage merklich verändert wird, so verwerflich wie eine Lüge. Die ganze Wahrheit würde sich wie folgt anhören:

Meine Mandantin hat keine Beweise dafür, dass Sie unser Schuldner sind. Wenn Sie es nicht freiwillig zugeben, dann können wir das unmöglich vor Gericht beweisen. Falls sich meine Mandantin trotzdem entschließen sollte, zu versuchen, die Forderung in einem Gerichtsverfahren durchzusetzen, dann könnten hierdurch erhebliche Kosten für Sie entstehen.“

Das wird natürlich kein Rechtsanwalt so schreiben, aber angesichts der Erkenntnis, die der Anwalt haben müsste, dass er die Forderung mangels Beweisen nie vor Gericht erfolgreich geltend machen kann, finde ich es moralisch höchst verwerflich, Menschen damit zu konfrontieren, die sich im Recht nicht oder nur unzureichend auskennen und schließlich noch mit der SCHUFA zu drohen.

Warum tun dies aber gewisse Rechtsanwälte überhaupt? Die Antwort ist einfach: Aus den Schreiben, die mir bei einer Anzeigeerstattung bekannt wurden, war jedes Mal zu entnehmen, dass nur die Kosten der Mandantschaft gefordert wurden. Ist also der Rechtsanwalt ohne Bezahlung tätig geworden?

Tatsächlich ist es so, dass zunächst die Person oder die Firma, die den Anwalt beauftragt hat, für die Kosten aufkommen muss. Ein Anwaltsvertrag ist grundsätzlich vergleichbar mit jedem anderen Dienstleistungsvertrag: Wer den Auftrag erteilt, der bezahlt. Wenn jedoch eine gerichtliche Entscheidung ergeht, dann trägt die Partei, die verloren hat, regelmäßig die Kosten. Nach meinen Informationen gilt das auch für eine außergerichtliche Einigung.

Wenn Herr Mustermann also einmal gezahlt hat, dann gilt das als eine solche außergerichtliche Einigung und er kann darauf warten, bis die Rechnung des Anwalts noch dazu kommt. Aber genau hier können Sie unter Umständen zum Gegenschlag ausholen, wenn sie nicht gezahlt haben oder nicht zahlen wollen:

Beauftragen Sie selbst einen Anwalt, der ihre Interessen vertritt. Mir ist aus verschiedenen Berichten von Betroffenen bekannt, dass folgendes Vorgehen zum Erfolg führte: Der Anwalt von Herrn Mustermann wendet sich an den Anwalt des Inkasso-Unternehmens und teilt mit, man möge die Beweise vorlegen, dass Herr Mustermann tatsächlich der Schuldner sei. Alsbald wird der Anwalt des Inkasso-Unternehmens mitteilen, dass man die Forderung nicht länger verfolge.

Er macht dies, weil ihm die Beweise fehlen, aber das wird er nicht zugeben. Ganz egal, ob er als Begründung angibt, dass es sich um ein bedauerliches Büroversehen handle oder sonst eine andere Begründung liefert: Tatsache ist, dass es eine außergerichtliche Einigung gegeben hat und die Gegenseite (also Inkasso) nun die Kosten (für den Anwalt von Herrn Mustermann) übernehmen muss.

Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass ich selbst einen solchen Fall noch nicht praktiziert habe und deshalb keine Gewähr auf Richtigkeit abgeben kann. Holen Sie sich deshalb eine verbindliche Auskunft des Rechtsanwalts ein, wenn Sie diesen Weg gehen wollen. Fragen kostet nichts, weshalb Sie zumindest diesen Vorschlag zur Prüfung unterbreiten sollten.

Ich schließe meinen Beitrag damit, dass diese Ausführungen auch sinngemäß für Bestellungen und Lieferungen im Internet gelten, weil die Vorgehensweise der Online-Händler, anschließend der Inkasso-Unternehmen und der in ihrem Auftrag handelnden Rechtsanwälte in vielen Fällen vergleichbar ist.

Montag, 31. August 2020

Trotz PayPal-Zahlung betrogen? Vorsicht vor einer neuen Betrugsmasche.

 Beim Handel im Internet ist die Zahlung via PayPal immer noch die sicherste Variante. Ausnahme bilden die PayPal-Zahlungen an Freunde und Verwandte, worüber ich ausführlich berichtet und davor gewarnt habe. Leider sind Betrüger immer noch sehr einfallsreich, sodass sie eine sehr perfide Variante gefunden haben, arglose Opfer abzuzocken. Diese Masche ist zwar nicht neu, aber in der alltäglichen Praxis beobachte ich, dass sie eine gewisse Renaissance erfährt.


Aber man kann sich sehr wohl dagegen schützen, wenn man die Masche kennt und auf ein paar Kleinigkeiten achtet. Darüber berichtet dieser Beitrag:


„Eigentlich habe ich alles richtig gemacht“, dachte sich eine Frau, als sie im Internet etwas gekauft hatte. Ingrid, so nenne ich sie der Einfachheit halber, hatte im Internet nach günstiger Kosmetika gesucht. Es hätte auch etwas anders sein können, als sie bei ihrer Suche auf einen eShop bei eBay gestoßen war. Sie staunte nicht schlecht, als sie feststellte, dass die Preise dort etwas günstiger waren, als sie der große Online-Händler auf seiner Website bzw. in seinem Webshop angeboten hatte. 


„Wie kann das sein?“, war ihr erster Gedanke, aber der Verkäufer, der die Ware so günstig angeboten hatte, sorgte recht zügig für Aufklärung. „Es handelt sich um Restposten einer größeren Lieferung. Deshalb geben wir kräftig Rabatt, weil alles raus muss.“ Dies leuchtete Ingrid sofort ein und sie war froh, dass sie auf diesen Händler gestoßen war, noch bevor von den Restposten nichts mehr da war. Schließlich ist es nie verkehrt, beim Einkauf etwas sparen zu können.


Vielleicht hatte sie noch letzte Zweifel, aber die wurden zerstreut, als der Verkäufer ihr anbot: „Sie können gerne per PayPal zahlen.“ Sie wusste, dass jetzt nichts mehr schief gehen konnte. Also bestellte sie Ware für etwa 70 Euro und war sich dessen gewiss: „Wenn die Ware nicht kommt, dann rufe ich bei PayPal einen sogenannten Streitfall auf und bin deshalb auf der sicheren Seite.“ Aber wenn sie überhaupt noch Sorgen hatte, dann wurden diese ein paar Tage später zerstreut, als tatsächlich die Lieferung kam. „Hat alles gut geklappt“, stellte sie zufrieden fest.


Es vergingen mehr als 3 Monate, als sie im Briefkasten eine schriftliche Mahnung fand. Es war einer der großen Online-Händler, der sie freundlich darauf aufmerksam machte, dass da noch eine Rechnung offen sei. „Kann gar nicht sein“, dachte sie bei sich und rief bei der Kundenhotline an. „Doch, Sie haben vor 3 Monaten bei uns was bestellt und wir haben geliefert“, wurde ihr mitgeteilt. „Das kann nicht sein, ich habe bei Ihnen noch nie was bestellt“, entgegnete sie und fügte noch an: „Es stimmt zwar, dass ich vor 3 Monaten Kosmetika gekauft habe, aber das war bei eBay. Und bezahlt habe ich per PayPal, das kann ich beweisen.“


„Nein“, entgegnete ihr die freundliche Dame vom Kundenservice. „Sie haben bei uns bestellt und wollten im Lastschriftverfahren bezahlen. Aber die Lastschrift wurde leider widerrufen, weshalb wir Ihnen schon vor zwei Monaten die erste Zahlungsaufforderung geschickt haben.“ Ingrid schüttelte den Kopf. „Ich habe nichts bekommen“, entgegnete sie der Dame vom Kundenservice. „Doch“, meinte diese. „Die ging per E-Mail an Ihre E-Mail-Adresse ‚ingrid69@gmail.com‘.“ 


„Sehen Sie“, antwortete Ingrid triumphierend: „Das ist gar nicht meine Adresse, denn die lautet ‚ingrid90@gmx.de‘, also ganz anders.“ Doch ihre Freude sollte von kurzer Dauer sei. „Sie sind aber die Ingrid Mustermann aus Neustadt, Bahnhofstraße 88?“, fragte die Dame vom Kundenservice erneut freundlich nach. „Ja, das stimmt“, antwortete Ingrid und jetzt erinnerte sie sich daran, dass sie sich noch gewundert hatte, dass die Lieferung der Kosmetika, die sie bei eBay gekauft hatte, genau von dieser Firma gekommen war.


Was war geschehen?


Der Verkäufer war ein ganz perfider Betrüger, wobei das gut und gerne auch eine Frau gewesen sein kann. Er wählte sich einen Phantasienamen und eröffnete damit einen neuen E-Mail-Account bei irgendeinem Freemailer. Da werden die Personalien nicht überprüft und das E-Mail-Postfach ist in kurzer Zeit einsatzbereit.


Nun zum zweiten Schritt: Mit dem Phantasienamen und der neuen E-Mail-Adresse eröffnete die Täterschaft nun einen neuen PayPal-Account, wo selbstverständlich die gleichen Phantasienamen und irgendeine Adresse angegeben wurden. Auch dieser PayPal-Account war nach kurzer Zeit einsatzbereit und nun konnte es losgehen. Der Einfachheit halber heißt der Phantasiename einfach „Reinecke Fuchs“, aber selbstverständlich war die Täterschaft etwas kreativer, denn bei diesem Namen würde man gleich an die Figur des gerissenen Gauners denken, den man aus der Fabel kennt.


‚Reinecke Fuchs‘ stellt nun irgendwo im Internet (das kann auch bei eBay-Kleinanzeigen oder Facebook Marketplace oder sonst wo im Internet sein) Angebote ein und findet dafür Käufer, die wie Ingrid durch die billigen Angebote gelockt werden. Da diese ja die Waren geliefert bekommen wollen, geben Sie ihm natürlich wahrheitsgemäß ihre Personalien an. Mit diesen legt nun ‚Reinecke Fuchs‘ bei irgendeinem Online-Händler einen Kundenaccount an und bestellt die Ware.


Dabei nutzt er die Sorglosigkeit vieler Online-Händler, vor allem der Großen der Zunft, aus, die die eingegebenen Personalien nicht überprüfen, die vielleicht höchstens noch eine Schufa-Anfrage machen, aber da Ingrid dort keine Einträge hat, wird sie als Kundin akzeptiert. Nur ahnt sie zu diesem Zeitpunkt nicht, dass ‚Reinecke Fuchs‘ auf ihren Namen den Kundenaccount angelegt hat. Und dieser sorgt auch gleich für die Bezahlung, da gerade von den großen Händlern selbst Neukunden das Lastschriftverfahren angeboten wird. Zwar gibt es eine Prozedur mit Einverständniserklärung etc., aber die ist auch kein größeres Hindernis.
 

Der Online-Händler bucht den Betrag ab und liefert die Ware aus. Schließlich weiß er ja, wohin die Ware geliefert wird. Vielleicht hat ‚Reinecke Fuchs‘ sogar noch eine andere Rechnungsadresse angegeben, aber in vielen Fällen braucht es das gar nicht, denn die Rechnung wird, um Papier zu sparen, sowieso online verschickt. Aber nicht an Ingrid, sondern an die neue E-Mail-Adresse von ‚Reinecke Fuchs‘. So liegt der Lieferung vielleicht nur ein Lieferschein dabei und Ingrid hat sich, da sie ja bezahlt hat, auch nicht darüber gewundert, dass es keine Rechnung gegeben hat.


Zunächst sind alle glücklich und zufrieden. ‚Reinecke Fuchs‘ hat bei der Bankverbindung eine solche gewählt, wo immer Geld drauf ist wie zum Beispiel die eines großen Autohauses oder vielleicht die von einer Behörde. Also geht das Geld zunächst an den Händler, aber recht bald wird die Lastschrift widerrufen. Vielleicht hat sich ‚Reinecke Fuchs‘ auch nur ein argloses Opfer aus dem Privatbereich ausgesucht, welches erst nach ein paar Tagen die Abbuchung bemerkt und dann erst widerruft.


Wie reagiert der Händler? Da die meisten recht großzügig sind, wird erst nach einer geraumen Zeit die erste Mahnung verschickt, aber die geht ja bekanntlich an die E-Mail-Adresse von ‚Reinecke Fuchs‘, der darüber nur köstlich lachen kann. Erst nach einer geraumen Zeit erfährt Ingrid davon, als sie dann mit der Post die Mahnung erhält. In den Fällen, die ich aufgenommen habe, waren das gut und gerne 3 oder mehr Monate nach der Bestellung.


Selbstverständlich hat Ingrid keinen Streitfall bei PayPal aufgerufen, denn sie hatte ja die Ware bekommen. ‚Reinecke Fuchs‘ hatte also genügend Zeit, das Geld auf seinem PayPal-Konto weiter zu transferieren, sodass es für Ingrid keine Chance mehr gab, das Geld wieder zurück zu holen. Obwohl sie die Bestellung bei dem großen Online-Händler selbst nicht aufgegeben hat, so hat sie doch von ihm Ware bekommen. Ob sie diesem (also dem Online-Händler) nun das Geld schuldet, ist eine zivilrechtliche Frage, auf die ich keine Antwort geben will, weil ich sie nicht sicher weiß.


Ingrid ärgert sich nun, dass sie nicht misstrauisch geworden ist, als die Lieferung gekommen war. Und genau hier setzt mein Ratschlag an: Wenn Sie merken, dass offenbar die Lieferung der Ware, die sie gekauft haben, von einem ganz anderen Händler kommt, dann sollten Sie misstrauisch werden. Rufen sie dort an und fragen nach, wie die Bestellung zustande gekommen ist. Hätte dies Ingrid getan, dann hätte sie die Wahrheit schneller erfahren und die Sache noch besser regeln können.


So hätte sie ihre PayPal-Zahlung reklamieren können, indem sie einen Streitfall hätte aufrufen können. Und an den Händler hätte sie die Ware einfach wieder zurückschicken oder bezahlen können. So bleibt ihr heute nur noch der Weg zur Polizei, die aber in solchen Fällen so gut wie keine Ermittlungsansätze hat. Und der Ausgang des zivilrechtlichen Verfahrens ist offen.


Daher veröffentliche ich diese Warnung. Meistens sind es Waren des Alltags und meistens sich es auch keine übermäßigen Summen, aber selbst 80 oder 90 Euro sind es nicht wert, einem Betrüger wie ‚Reinecke Fuchs‘ in den Rachen zu werfen. Denn wenn dieser diese Masche nur zweimal im Tag durchzieht, dann kommt er auf ein stattliches Einkommen. Steuerfrei, versteht sich. Und wie bei dem Fabelwesen ‚Reinecke Fuchs‘ bezahlen die anderen die Zeche für seine Untaten.

Sonntag, 16. August 2020

Eindringliche Warnung: Betrüger benutzen gefahrlos deutsche Konten.

Ergänzung zu meinem Beitrag vom Sonntag, 21. Juni 2020
 

Beim Handel im Internet (Kauf bei eBay oder eBay-Kleinanzeigen zum Beispiel) gibt es bekanntlich immer die Gefahr, dass man an einen Betrüger kommen kann. Da bekanntlich der Käufer in Vorkasse treten, also zuerst Geld überweisen muss, ist immer ein gewisses Risiko vorhanden. So habe ich in meinen Aufsätzen schon oft davor gewarnt, kein Geld ins Ausland zu überweisen und keine Zahlung per PayPal an Freunde und Familie zu leisten.

Das sicherste, so habe ich immer wieder betont, sei eine Überweisung auf ein deutsches Konto, weil im Falle des Falles die Ermittlungsbehörden die Möglichkeit haben, immerhin den Kontoinhaber zu ermitteln. Zwar besteht dann immer noch die Gefahr, dass es sich bei dem Kontoinhaber um einen ahnungslosen Dritten (sogenannter Finanzagent) handeln kann, aber immerhin gibt es Ermittlungsansätze.

Diese Aussage muss ich aufgrund in jüngster Vergangenheit gemachten Erfahrungen aus einigen Fällen leider etwas revidieren und diesbezüglich eine Warnung aussprechen. Wenn Sie zum Beispiel aufgefordert werden, den Betrag auf folgendes Konto zu überweisen, dann ist Vorsicht angesagt:

Inhaber: Mustermann, Sabine
IBAN: DE14 7001 1110 0009 7960 37
Verwendungszweck: 471108150

Erklärung dazu: Mustermann, Sabine bedeutet, dass hier irgendein beliebiger Name stehen kann, der gar nichts zur Sache tun. Der Verwendungszweck 471108150 steht für irgendeine neunstellige Nummer, die Sie unbedingt im Verwendungszweck Ihrer Überweisung angeben sollen, worauf Sie der vermeintliche Verkäufer nochmals ausdrücklich hinweist.

Inhaber dieses Kontos bei der Deutschen Handelsbank ist nämlich nicht Sabine Mustermann, sondern der britische Finanzdienstleister Skrill Limited mit Sitz in London, der zur Paysafe-Gruppe gehört. Wer genaue Informationen darüber haben will, findet diese zur Genüge im Internet, weshalb ich gar nicht weiter darauf eingehen will. Stark vereinfacht ausgedrückt, kann man sagen, dass Skrill ähnlich wie PayPal funktioniert.

Fakt ist, und deshalb auch meine Warnung: Die Täterschaft, die einen Skrill-Account zur Entgegennahme von betrügerisch erlangten Zahlungen benutzt, bleibt absolut anonym, was ich durchaus belegen kann. Wie funktioniert das Ganze aus Sicht der Täterschaft:

Diese legt sich zunächst online einen Skrill-Account an. Dazu bedarf es zunächst nur der Eingabe von wenigen Daten, die allerdings nicht überprüft werden. Trotzdem funktioniert der Account schon dahingehend, dass man bei positivem Kontostand Geld weiter verschicken kann.

Mir ist aus einem Fall bekannt, dass die Täterschaft, die bei eBay-Kleinanzeigen ein Schnäppchen angeboten hatte, das spätere Opfer (also den Kaufinteressenten) zunächst nach seinem Vor- und Zunamen und seiner Adresse gefragt hat. Dann hat die Täterschaft mit diesen Personalien einen Skrill-Account angelegt. Bei den Daten, die sie nicht hatte, wie Geburtsdatum zum Beispiel, hat sie einfach mal geraten und ein Datum eingegeben. Und als E-Mail-Adresse wurde eine solche eingegeben, die die Täterschaft vorher selbst angelegt hatte.

Damit wurde ein Skrill-Account angelegt, welcher eine neunstellige Nummer (zum Beispiel 471108150) hatte und nun konnten dem späteren Opfer die Bankdaten übermittelt werden, auf welches es das Geld einzahlen solle. Dabei spielt der auf der Überweisung einzutragende Name des Kontoinhabers keine Rolle und ist völlig unerheblich. Wichtig waren zwei andere Faktoren:

Erstens der IBAN DE14 7001 1110 0009 7960 37 (kein frei erfundenes Beispiel, sondern genau dieser ist gemeint), der zum Sammelkonto von Skrill bei der Deutschen Handelsbank gehört.

Zweitens die neunstellige Zahl, welche ich als frei erfundenes Beispiel 471108150 genannt habe (ist nicht die Zahl, die im Fall verwendet wurde). Die Täterschaft hat großen Wert darauf gelegt, das Opfer darauf hinzuweisen, dass im Verwendungszeck genau diese Zahl stehen sollte. Hintergrund ist der, dass diese Zahl dafür sorgt, dass das eingegangene Geld bei Skrill dem Account 471108150 gutgeschrieben wird.

Wenn Sie auf dieses Konto Geld überwiesen und später keine Ware bekommen haben, dann sind Sie Opfer eines Betrugs im Internet geworden und es gibt so gut wie keine Möglichkeit, die Täterschaft zu ermitteln. Wenn Sie Pech haben, dann hat die Täterschaft den Skrill-Account sogar auf Ihren Namen angelegt, sodass das Ermittlungsergebnis von Polizei und Staatsanwaltschaft, sofern eine Anfrage bei Skrill bzw. Paysafe beantwortet wurde, so aussieht, dass Sie nicht nur das Opfer, sondern augenscheinlich auch die Täterschaft sind.

Zwischenzeitlich hat die Täterschaft das Geld schon weiter transferiert und bleibt weiterhin unerkannt.

Nun weiß ich aus weiteren Fällen, dass Skrill nicht nur dieses Konto bei der Deutschen Handelsbank, sondern auch bei weiteren Banken hat. Auch kann es durchaus sein, dass bei der Deutschen Handelsbank weitere Skrill-Konten bestehen. Ich will deshalb keine Liste von verdächtigen Konten aufstellen, sondern meine Warnung und Hinweise etwas praktischer gestalten:

Schöpfen Sie Verdacht, wenn Sie aufgefordert werden, als Verwendungszweck unbedingt eine neunstellige (in Zukunft vielleicht sogar auch eine zehnstellige) Nummer anzugeben. Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie auf ein Skrill-Konto überweisen sollen, auch wenn der Kontoinhaber angeblich Sabine Mustermann heißt.

Ich würde in solchen Fällen den Kauf abbrechen. Wenn Sie aber noch unschlüssig sind, weil das Schnäppchen allzu verlockend ist, dann googlen Sie die Bankverbindung einmal und haben vielleicht Glück, dass schon davor gewarnt wird.

Abschließend möchte ich nochmals betonen: Der Finanzdienstleister Skrill Limited mit Sitz in London hat mit den Betrügereien selbst nichts zu tun, sondern die Betrüger nützen lediglich deren Bedingungen aus, die es ermöglichen Geld anonym entgegen zu nehmen und weiter zu transferieren.