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Donnerstag, 30. September 2021

Kritik am merkwürdigen Gebaren von (etlichen) Online-Händlern, Inkasso-Firmen und dem Zahlungsdienstleister KLARNA

Keine Prüfung bei der Bestellung, aber hernach mit Inkasso Bürger erschrecken.

Erinnern Sie sich: Zum Jahresende 2019 hatte ich einen Beitrag mit der Überschrift „Online-Händler machen es Betrügern immer noch viel zu leicht“ veröffentlicht (siehe https://jg-autor.blogspot.com/2019/12/online-handlern-machen-es-betrugern.html ). Nach mehr als fast zwei Jahren hat sich daran nicht viel geändert, lediglich, dass Inkasso-Unternehmen gnadenlos unbeteiligte Bürger belästigen, die nicht wissen, wie Ihnen geschieht. Auch wenn dies Insider vielleicht gar nicht so dramatisch empfinden, so darf nicht vergessen werden, was so eine Verkaufsstrategie, die vielleicht heute noch wirtschaftlich ist, bei der Person auslöst, die das Inkasso-Schreiben im Briefkasten vorfindet. Nicht zu vergessen die Arbeit, die die Strafverfolgungsbehörden damit haben und die sie von wichtigeren Aufgaben abhält.

Ich erlebe es im Kontakt mit Bürgern im polizeilichen Alltag immer wieder, dass bei vielen so ein Inkasso-Schreiben Schrecken, Sorgen und Ängste auslöst, was nicht sein müsste. Klar, dort wo Inkasso berechtigt ist, ist dies unvermeidlich und alternativlos. In den nicht wenigen Fällen, die mir bekannt wurden, gab es jedoch keine objektiven Beweise dafür, dass die Forderung berechtigt wäre. Trotzdem treten diese Inkasso-Unternehmen forsch und selbstbewusst auf und ohne Scham wird behauptet: „Sie haben die berechtigte Forderung unserer Mandantin immer noch nicht erfüllt …“.

Bevor ich ein recht bemerkenswertes Beispiel schildere, möchte ich nochmals betonen, dass ein Inkasso-Unternehmen nicht der Gerichtsvollzieher ist. Wenn der sich anmeldet (wobei es auch Gerichtsvollzieherinnen gibt, was nicht unerwähnt bleiben sollte), dann wird notfalls vollstreckt, weil die Sache (zumindest rechtlich) klar ist. Ein Inkasso-Unternehmen ist lediglich ein Dienstleister, der versucht, eine offene Forderung einzuziehen. Nicht mehr und nicht weniger. Bleibt dies erfolglos, dann folgt im nächsten Schritt oftmals ein Schreiben eines Rechtsanwalts, der das gleiche Ziel hat. Aber auch ein Inkasso-Anwalt ist zwar ein Organ der Rechtspflege, aber doch kein Gericht, auch wenn der Schritt zur Einleitung eines Mahnverfahrens dann oft nicht mehr weit ist. Aber auch dann reicht allein eine Behauptung eines Anwalts nicht aus, um eine Verurteilung zu erlangen, sondern dieser muss den Beweis der Richtigkeit seiner Behauptung erst einmal antreten.

Wenn Sie sicher sind, dass Sie nicht die Person sind, gegen die sich die Forderung berechtigt richtet, dann müssen Sie im Grunde erst dann reagieren, wenn Sie einen Mahnbescheid eines deutschen Gerichts bekommen. Aber auch dies ist noch kein vollstreckbares Urteil, welches die/den Gerichtsvollzieher(in) auf den Plan rufen könnte, denn bei Erlass eines Mahnbescheids hat das Gericht NICHT geprüft, ob die Forderung zurecht besteht oder nicht. Es reicht die Behauptung des vermeintlichen Gläubigers. Weil aber dies dem Gedanken entgegensteht, dass vor einem Urteil beide Parteien angehört werden müssen, liegt jedem Mahnbescheid ein Formular bei, auch welchem man Widerspruch einlegen kann. Wenn man dies getan hat, ist das Mahnverfahren beendet. Die bisher angefallenen Kosten trägt der Gläubiger.

Ganz wichtig: Wenn aber kein Widerspruch eingelegt wird, dann wird der Mahnbescheid rechtskräftig und kann vollstreckt werden, egal, ob sich später herausstellen würde, dass die Forderung unberechtigt sei. So sieht es die Rechtsordnung nun mal vor, weshalb auf den Mahnbescheid, der hierzulande in einem gelben Umschlag verschickt wird, unbedingt reagiert werden muss. Das möchte ich ausdrücklich nochmals betonen.

Die Unternehmen lassen sich ungern in ihre Geschäftsabläufe schauen. Dass diese so effizient als auch so günstig als möglich gestaltet werden müssen, wird bei näherer Betrachtung schon klar, denn schließlich besteht gerade beim Online-Handel ein enormer Preiskrieg, wo man sich gegenseitig im Preis unterbieten will, um Kunden an sich zu ziehen. Wie dies genau aussieht, kann auch ich nur erahnen, aber wenn ich die Puzzle-Teile an Erkenntnissen, die ich aus zahlreichen Strafverfahren gesammelt habe, nebeneinander lege, dann ergibt sich folgendes Bild, welches der Realität ziemlich nahe kommen könnte:

Keine oder nur oberflächliche Prüfung bei der Bestellung:

Die Bestellung im Internet bietet für das Unternehmen den Vorteil, dass der Kunde schon Aufgaben erledigt, die ansonsten eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter des Unternehmens erledigen müsste: Die Kundin oder der Kunde tippt ihre/seine Personalien, aber auch die Bankverbindung auf einem Online-Formular ein, sodass diese beim Händler bereits gespeichert sind und dem Computer zur weiteren Verwendung zur Verfügung stehen. Was der damit macht, kann ich selbstverständlich nicht sagen und vermutlich ist dies auch von Unternehmen zu Unternehmen verschieden.

Der Marktführer Amazon führt allen Anscheins nach keine oder zumindest kaum Prüfungen durch und beginnt bereits damit, die Bestellung auszuführen. Ich gehe davon aus, dass die Strategie für Amazon betriebswirtschaftlich wesentlich günstiger ist, nicht aufwendig zu prüfen und damit Betrügern Tür und Tor zu öffnen, weil die überwiegende Mehrzahl der Kunden ehrlich ist und wahrheitsgemäß die Daten eingibt. Der Schaden ist also (noch) geringer, als wenn man für diese Aufgabe Mitarbeiter*innen beschäftigen müsste, die jeden Monat ihren Lohn wollen und damit dem Unternehmen Geld kosten.

Dies geht sogar so weit, dass mit den Personalien einer Person, die bereits einen bestehenden Amazon-Account hat, problemlos ein zweiter Account angelegt werden kann, was ich aus zahlreichen Anzeigen, die bei mir erstattet worden sind, sicher weiß. Natürlich muss ich an dieser Stelle anmerken, dass meine Ausführungen immer den Zusatz haben „Stand heute“, denn selbstverständlich können die Unternehmen ihre Strategie jederzeit ändern, was durchaus wünschenswert wäre.

Ähnliches gilt für einen weiteren Riesen, der im Gegensatz zu Amazon aber unzählige Filialen hat, nämlich LIDL. Mit der neu eingeführten LIDL-Bezahl-App funktioniert es ähnlich, aber darüber schreibe ich ausführlich in einem anderen Beitrag.

Keine oder nur oberflächliche Prüfung bei der Auslieferung:

Bestellt ist noch nicht geliefert. Wie ich schon in zahlreichen Beiträgen zum Ausdruck gebracht habe, ist ein(e) Betrüger(in) erst dann am Ziel, wenn man die bestellte Ware auch erhalten hat und später nicht mehr nachvollzogen werden kann, wer sie tatsächlich bekommen hat. Längst ist es nicht mehr notwendig, den Aufwand zu betreiben, die Postbotin oder den Postboten abzufangen und sich dann unter falscher Namensangabe das Päckchen aushändigen zu lassen.

Viele Sendungen erfolgen nämlich gar nicht mehr über die Deutsche Post AG bzw. über DHL, sondern über Spediteure wie Hermes, UPS oder DPD, um nur drei davon zu nennen. Von diesen Dreien weiß ich gewiss, dass sie sogenannte Paket-Shops unterhalten, wo die Ware bequem abgeholt werden kann. In Anbetracht der Tatsache, dass viele der Personen, die die Pakete ausliefern, 6 Tage in der Woche (also auch an Samstagen) mitunter unter Mindestlohn arbeiten müssen und dass vermutlich auch die Öko-Bilanz beim Versandhandel nicht gerade günstig ausfällt, sind Paketshops grundsätzlich begrüßenswert.

Der Knackpunkt ist jedoch der, dass bei einer Abholung eine Identitätsprüfung (Stand heute) immer noch nicht oder nur oberflächlich durchgeführt wird. Es reicht eine gefälschte Vollmacht und schon wird die Sendung ausgehändigt. Ausweisdaten werden, so behaupten zumindest die Spediteure auf etliche Anfragen, die ich dort gemacht hatte, aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erhoben bzw. zumindest nicht gespeichert. Für mich ist das eine fadenscheinige Begründung, denn eine Einwilligungserklärung der oder des Betroffenen (Abholer) würde dies trotz datenschutzrechtlicher Bestimmungen möglich machen. Aber vermutlich ist auch dies betriebswirtschaftlich teurer und dem Spediteur kann es im Grunde egal sein, wer das Paket bekommen hat. Hauptsache, es ist ausgeliefert und die Aufgabe ist erfüllt. Die Betrügerin oder der Betrüger konnte aber die Sendung quasi anonym, also ohne Risiko einer Strafverfolgung, entgegennehmen.

Keine oder nur mangelhafte Vernetzung der Beteiligten:

Das fehlende Interesse vieler Online-Händler an einer zureichenden Identifizierung ihrer Kunden liegt möglicherweise auch daran, dass die Aufgaben bei einem Online-Einkauf noch weiter gesplittet sind, sodass es sogar dem Händler höchstwahrscheinlich egal sein kann, ob alles mit rechten Dingen abgelaufen ist. Ich will dies gerne erläutern, worauf ich meine Vermutung stütze:

Kennen Sie KLARNA? Es handelt sich dabei um ein Unternehmen mit Sitz in Schweden (laut Impressum sogar um eine Bank), welches Zahlungen von Online-Einkäufen per Rechnung anbietet. Klarna verkauft aber selbst gar nichts, sondern kümmert sich nur um die Bezahlung für Käufe, die bei anderen Online-Händlern getätigt worden sind. Sicherlich hat die oder der Eine schon von Klarna gehört oder auch schon einen Einkauf über Klarna bezahlt. Darum brauche ich dies vermutlich nicht weiter erläutern. Wenn nicht, dann verweise ich für Einzelheiten auf das Internet.

Der Punkt, auf welchen ich hinaus möchte, ist nämlich der, dass es nicht nur dem Spediteur (also Hermes, UPS, DPD, etc.) egal sein kann, wer das Paket bekommt, sondern auch dem Händler, ob es überhaupt bezahlt worden ist. Wie bereits erwähnt, habe ich keine sicheren Erkenntnisse darüber, wie die einzelnen Vorgänge genau vonstattengehen. Meine als polizeilicher Ermittler gemachten Erfahrungen verdichten jedoch den Verdacht, dass der Händler von KLARNA sein Geld schon nach Abschluss der Bestellung bekommt, abzüglich einer entsprechenden Provision, mit welcher wiederum Klarna das Geld verdient.

Dafür spricht zum einen, dass Klarna das Mahnverfahren betreibt und dabei behauptet, dass die Forderung an sie übergegangen sei. Da es sich bei Klarna nicht um ein typisches Inkasso-Unternehmen, sondern einen Zahlungsdienstleister handelt, gehe ich davon aus, dass meine Annahme richtig ist. Auch fiel mir immer wieder auf, dass viele betroffenen Online-Händler kaum Interessen daran zeigten, Betrugsfälle aufzuklären, wenn ich entsprechende Anfragen gestellt habe. Warum auch, wenn man sein Geld schon hat, wäre für mich eine plausible Erklärung. Man mag es nicht glauben, aber bei vielen Händlern habe ich die Antwort bekommen, man wolle aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht antworten.

Dies ist aus meiner Sicht zunächst unverständlich. Da wurde ein Online-Händler durch Betrug abgezockt und die Gefahr, dass so etwas immer wieder passiert, ist nicht von der Hand zu weisen, aber dann kommt so eine Reaktion. „Die Daten der Kunden seien ihnen sehr wichtig und schützenswert“, wird geantwortet. „Ist ein Betrüger noch ein Kunde?“, frage ich mich dann. „Hat das Unternehmen gar kein Interesse daran, dass die Tat aufgeklärt wird?“, ist dann die nächste Frage, die ich mir stelle. Eine plausible Antwort darauf finde ich nur in der Annahme, dass der Händler sein Geld schon bekommen hat und deshalb auch der Betrüger für ihn ein (zahlender) Kunde gewesen ist.

Doch die Sachverhalte können sich noch viel komplexer darstellen, als man erahnen mag. So erfuhr ich vor kurzer Zeit im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens, wie wenig die beteiligten Firmen untereinander vernetzt sind. Eine Person hatte bei mir Anzeige erstattet, weil sie Mahnungen von Klarna bekommen hatte. Daraufhin griff diese Person zum Telefon und versuchte, den Sachverhalt zu klären. Schon bald war klar, dass ihre Personalien von unbekannter Täterschaft für eine Bestellung missbraucht worden sind. Lediglich eine andere E-Mail-Adresse hatte sich die Täterschaft zugelegt und da die Kommunikation via E-Mail gelaufen war, hatte die Person, deren Personalien missbräuchlich verwendet worden waren, davon nichts mitbekommen.

Im Laufe der Kommunikation mit dem Händler muss jedoch die E-Mail-Adresse korrigiert worden sein, was nicht üblich sein muss. Vielleicht geschah dies auch deshalb, weil ein Teil der Kommunikation nach Bekanntwerden der Tat über die E-Mail-Adresse der geschädigten Person gelaufen war. Wie dem auch sei: Diesem Umstand war zu verdanken, dass neue, ganz erstaunliche Erkenntnisse bekannt geworden waren:

Offenbar hatte die Täterschaft die Bestellung über ein großes Vergleichsportal, welches viel Werbung betreibt und deshalb den meisten Leuten bekannt ist, vorgenommen. Während aber die Firma, die das Vergleichsportal betreibt, die Bestellung nicht selbst ausgeführt, sondern an einen anderen Händler weiter gegeben hat, sollte sich Klarna um die Begleichung der Rechnung kümmern. Anscheinend hatte der Händler, welcher liefern sollte, jedoch damit Probleme, was möglicherweise der aktuellen Situation aufgrund der Corona-Pandemie geschuldet gewesen war. Deshalb wurde der Auftrag nach einer gewissen Zeit an einen anderen Händler weiter gegeben, der liefern konnte. Dies erfuhr die geschädigte Person (also deren Personalien missbraucht worden waren) nur deshalb via E-Mail, weil offenbar in der Datenbank nun ihre richtige E-Mail gestanden war. So konnte die Lieferung noch gestoppt werden und die Täterschaft ging leer aus.

Zu diesem Zeitpunkt, wo die Ware überhaupt noch nicht geliefert worden war, hatte Klarna bereits das gerichtliche Mahnverfahren angedroht, was für mich nur eine Schlussfolgerung zulässt, dass Klarna über die Lieferschwierigkeiten des Händlers nicht informiert worden war. Dies alles könnte uns als Verbraucher egal sein, wenn nicht unbeteiligte Bürger mit Mahnschreiben belästigt werden würden, was ich für unerträglich halte.

Immerhin mache ich die Erfahrung, dass die Mahnverfahren gestoppt werden, wenn die Bürgerin bzw. der Bürger eine entsprechende Anzeige erstattet hat. Da jedoch aufgrund der Umstände, die ich gerade beschrieben habe, so gut wie keine Ermittlungsansätze vorhanden sind, wird die Polizei (und nachfolgend die Staatsanwaltschaft) nur deshalb bemüht, um eine entsprechende Bescheinigung zu erlangen. Da aber die Strafprozessordnung fordert, dass jede Anzeige entsprechend bearbeitet werden muss, tragen die Lasten der für die Unternehmen so effizienten Vorgehensweise letztendlich der Staat und damit die Steuerzahler. Weiter so? Wir werden sehen.

Samstag, 30. Januar 2021

Warnung: INKASSO-Schreiben müssen nicht immer echt sein

 

Wie immer schreibe ich meine Beiträge dann, wenn mir in meiner Tätigkeit als polizeilicher Internet-Ermittler etwas auffällt, wo ich denke, dass es sich lohnen würde, darüber zu schreiben. So musste ich mich vor nicht allzu langer Zeit mit einem dubiosen Inkasso-Schreiben beschäftigen, welches ich nach Prüfung des Inhalts zumindest für sehr dubios gehalten habe. Die Schwierigkeit dabei ist die, dass sich Polizei und Staatsanwaltschaften an Tatsachen halten müssen, wenn es um eine Straftat (in diesem Falle ein versuchtes Betrugsdelikt) handelt.

Sicherlich kann die Polizei ein Ermittlungsverfahren einleiten, wenn ein Anfangsverdacht vorhanden ist, aber selbst bei sehr dubios anmutenden Schreiben ist der finale Beweis oftmals nur sehr schwer zu erbringen, gerade wenn es um (behauptete) Forderungen geht, wo die Ermittlungsbehörden den Beweis erbringen müssten, dass die Forderungen unrechtmäßig sind und, das ist im Strafrecht zudem wichtig, dass das Inkasso-Unternehmen dies (vorher) sicher wusste. 

Daher bleibt oftmals nur die Prävention, also auf solche Sachverhalte aufmerksam zu machen und den Bürger aufzuklären, auf was zu achten wäre. Zu diesem Zweck soll der nachfolgende Beitrag dienlich sein:

 

Was ist ein Inkassounternehmen?

Inkassounternehmen sind zunächst nichts anderes als Firmen, deren Betätigungsfeld darin besteht, die Schulden anderer einzutreiben, wofür sie natürlich eine entsprechende Gebühr verlangen. Über die mitunter merkwürdig anmutenden Methoden, die das eine oder andere Unternehmen so an der Tag legt, vor allem, wenn es um die Ermittlung von Personen geht, habe ich schon einige Male geschrieben. Obwohl diese Unternehmen grundsätzlich nur Dienstleister sind und keine anderen Rechte haben als der ursprüngliche Gläubiger, so schrecken doch viele Menschen auf, wenn sie Post von einem solchen Inkasso-Unternehmen bekommen.

Viele Menschen stellen sie gedanklich dem Gerichtsvollzieher gleich, was aber nicht stimmt, denn wenn der Gerichtsvollzieher kommt, dann kann dieser vollstrecken, weil es hierfür bereits einen rechtskräftigen Gerichtsbeschluss gibt. Ich will keinesfalls dazu aufrufen, Inkasso-Schreiben auf die leichte Schulter zu nehmen oder gar zu ignorieren, denn möglicherweise folgt danach doch ein Mahn- und dann ein Vollsteckungsbescheid und dann kommt tatsächlich eines Tages der Gerichtsvollzieher.

Weil aber immer noch viele Menschen ein Inkasso-Schreiben gedanklich auf die gleiche Stufe wie ein Vollstreckungsbescheid eines Gerichts stellen, nutzen dies immer wieder Gauner und Betrüger aus, um als angebliches Inkasso-Unternehmen ihre Opfer zu einer Zahlung zu bewegen, worauf sie überhaupt keinen Anspruch gehabt hätten, zumindest nicht vor einem ordentlichen deutschen Gericht. So kam mir dieser Tage ein solches Schreiben in die Hände, welches ich in diesem Beitrag einmal exemplarisch vorstellen möchte:

 

Geschickt verpackte Drohungen, die man durchschauen kann:

Letzte außergerichtliche Mahnung vor gerichtlichen Schritten“ stand dick und fett gedruckt in der Überschrift. Man beachte, dass das Wort „Gericht“ gleich zweimal darin vorkommt, was sicherlich seine Wirkung nicht verfehlt, weil viele Menschen bestrebt sind, ein Leben lang mit „dem Gericht“ nichts zu tun gehabt zu haben. 

Erst im Kleingedruckten erfährt die oder der Lesende dann, dass es sich um eine Forderung einer angeblichen Gewinnspielfirma handelt. Aber keine Angaben darüber, wo man diese Firma finden könnte, keine Adresse, nicht einmal eine Internet-Adresse. So steht nicht einmal fest, ob die Firma, so es sie überhaupt gibt, in Deutschland ihren Sitz hat und wir erfahren auch nicht, wann und wie die Forderung zustande gekommen sei. Stattdessen steht da der lapidare Satz: „[…] bedauerlicherweise haben Sie die Ihnen bekannte Forderung noch nicht ausgeglichen.“ 

In allen Inkasso-Schreiben von Firmen, welche ich für seriös halte, konnte ich immer Angaben darüber finden, wer der eigentliche Gläubiger (mit Adresse) ist und wann und wie die behauptete Forderung zustande gekommen war. Diese Angaben bieten dem Adressaten die Möglichkeit, sich überhaupt mit der Forderung auseinander zu setzen.

Stattdessen kommt in dem Schreiben, welches ich zum Anlass für diesen Beitrag genommen habe, erneut Psychologie zum Einsatz: Man bietet eine Pauschalzahlung von knapp unter 200 Euro an, mit welcher alle Forderungen beglichen wären. Daneben steht eine Auflistung, welche Forderungen in einem „nachgerichtlichen Mahnverfahren“ auf den angeblichen Schuldner zukommen würden, nämlich fast 700 EUR.

Ungeachtet dessen, dass der Ausdruck „nachgerichtliches Mahnverfahren“ jede rechtskundige Person zum Lachen bringt, weil es so etwas einfach nicht gibt, weil nämlich die korrekte Bezeichnung entweder das „Gerichtliche Mahnverfahren“ oder nach ergangenem Urteil das „Vollstreckungsverfahren“ wäre, so ist eine solche Differenz unrealistisch und soll nur dazu dienen, den angeblichen Schuldner unter Druck zu setzen: Wenn ich jetzt nicht reagiere, dann wird es viel, viel teurer.

Wie immer in solchen Fällen wird dabei pfleglich vergessen, dass der Gläubiger (also die angebliche Gewinnspielfirma oder bei Abtretung die Inkasso-Firma) vor Gericht den Beweis antreten muss, dass die Forderung zurecht besteht. Stattdessen wird weiter über die schrecklichen Folgen referiert, die bei Nicht-Zahlung auf den Schuldner zukommen würden und man gibt sich menschenfreundlich mit den schönen Satz: „Wir […] möchten immer eine außergerichtliche Lösung finden“, was für mich übersetzt heißt: „Vor Gericht hätten wir (also das Inkassounternehmen) keine Chance.“

Dass in dem Text die Anrede des Schuldners einmal vom höflichen „Sie“ in das persönliche „Du“ wechselt, habe ich dann mit einem Schmunzeln vernommen. Doch erst diesen Satz fand ich dann doch peinlich, was vielleicht Jemanden nicht gleich auffällt, die/der sich damit nicht beruflich beschäftigt: „Bitte nehmen Sie die Zahlung umgehend vor, um das gerichtliche Mahnverfahren einzustellen!“ Hier wird vorgegaukelt, es gäbe bereits ein gerichtliches Mahnverfahren, was aber überhaupt nicht der Fall sein kann.

Wenn gegen Sie ein gerichtliches Mahnverfahren eingeleitet worden ist, dann bekommen Sie Post (in einem gelben Umschlag) von einem deutschen Mahngericht. Dies passiert, wenn dort eine Person (das kann auch eine juristische Person wie eine Firma sein) behauptet, sie hätte eine Forderung gegen Sie, die sie vor dem Gericht genau bezeichnen muss. Wenn diese Person dann die Gebühren für das Gericht entrichtet hat, dann verschickt dieses ohne weitere Prüfung des Sachverhalts an den angegebenen Schuldner einen Mahnbescheid. Dieser hat dann 14 Tage Zeit, sich dagegen zu wehren, denn danach wird der Bescheid rechtskräftig und kann vollstreckt werden.

Weil aber das Gericht überhaupt nicht geprüft hat, ob die Forderung zu Recht besteht, wird mit dem Mahnbescheid ein Vordruck mitgeschickt, wo man Einspruch einlegen kann. Wenn dieser durch das rechtzeitige Abschicken des unterschriebenen Formulars eingelegt wurde, ist das Mahnverfahren beendet und der Gläubiger muss versuchen, die Forderung vor einem Zivilgericht vorzubringen, wo er in der Pflicht steht, die Rechtmäßigkeit seiner Forderung zu beweisen. Das Mahnverfahren ist letztendlich nur dazu da, um solche Schuldner, die auf nichts reagieren, irgendwann vollstrecken zu können.

Daher ist die Aufforderung, unverzüglich zu bezahlen, um das gerichtliche Mahnverfahren einzustellen, reine Einschüchterung, wenn es überhaupt noch kein Mahnverfahren gibt bzw. gegeben hat. Dieser Ratschlag ist nur dann sinnvoll, wenn es bereits einen rechtskräftig gewordenen Mahnbescheid gibt, denn dann sollte man bezahlen, um weitere Kosten für das Vollstreckungsverfahren zu sparen.

 

Weitere Auffälligkeiten, auf die Sie achten sollten:

Abgesehen davon, dass besagte (Pseudo-) Inkassofirma keine Auskunft darüber gibt, welche Rechtsform (z.B. GmbH) sie hat, aber dafür einen Geschäftsführer benennt, der dafür auf dem beigefügten Überweisungsformular jedoch als Kontoinhaber erscheint, dass sie keine postalische Adresse offenbart, sondern nur ein Postfach anbietet, so hat mich letztendlich diese Angabe stutzig gemacht: „Zugelassenes Inkasso-Unternehmen nach § 10 Absatz 1 Nr. RDG (Az. … )“.

Diese Angabe sagt überhaupt nichts aus. Die Abkürzung RDG steht für „Rechtsdienstleistungsgesetz“, wo besagter § 10 Absatz 1 Nr. 1 besagt, dass Inkassounternehmen behördlich registriert sein müssen, wenn sie die entsprechende Sachkunde nachgewiesen haben. Sinnvoller wäre gewesen, die Behörde zu nennen, bei welcher das Unternehmen (angeblich) registriert sei.

Also: Wenn Sie ein Schreiben dieser Art bekommen, dann können Sie davon ausgehen, dass die Forderung mehr als fraglich erscheint. Letztendlich liegt es an Ihnen, wie sie damit umgehen. Wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, lohnt es sich sicherlich, dieses einem Anwalt zu zeigen. Haben Sie keine Versicherung, dann müssen Sie damit rechnen, dass Sie die Kosten für einen Anwalt selber tragen müssen, wenn sich das scheinbare Inkasso-Unternehmen als Maske eines Betrügers entpuppt, welcher seine Identität verschleiert hat oder welcher einfach nicht auffindbar und damit auch nicht vollstreckbar ist.

Wenn Sie sicher sind, dass die behauptete Forderung nicht rechtmäßig ist, müssen Sie im Grund gar nichts tun und können abwarten, was passiert. Denn wie ich bereits erwähnt habe, muss der Gläubiger beweisen, dass die Forderung zu Recht besteht. Trotzdem schließe ich diesen Beitrag mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass Sie jedoch auf einen Mahnbescheid eines deutschen Gerichts reagieren müssen, weil dieser ansonsten rechtskräftig werden wird, egal, ob die ursprünglich behauptete Forderung zu Recht besteht oder nicht.

 Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesem Beitrag dienlich sein konnte. Weitere Beiträge zum Themenkomplex „Cybercrime“ bzw. „Internet-Kriminalität“ finden Sie auch auf meiner Website [https://bjg-media.de/cybercrime/]. Schauen Sie unverbindlich rein, der Besuch ist garantiert kostenfrei.

Freitag, 27. November 2020

Merkwürdige Praktiken einiger Rechtsanwälte bei Inkasso-Geschäften

Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. So lautet der § 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung. Was das im Einzelnen bedeutet, darüber will ich in diesem Beitrag gar nicht näher eingehen. Aber ich denke, dass es keine zwei Meinungen geben sollte, dass man landläufig (auch) darunter verstehen kann (oder sogar muss), dass die Tätigkeit eines Rechtsanwalts eine solche ist, der man bedingungslos vertrauen kann, ja sogar vertrauen muss.

Jeder Mensch kann einmal irren, jeder kann mal Fehler machen. Davon rede ich nicht, sondern es geht mir darum, wie ein Beruf grundsätzlich ausgeübt wird. Der Anlass für diesen Beitrag war der, dass mir in letzter Zeit Schreiben einzelner Rechtsanwälte begegnet sind, wo ich erhebliche Zweifel daran habe, ob deren Schriftsätze mit der Berufsethik, die der Beruf eines Rechtsanwalts haben sollte, noch vereinbar sind.

Um keinen falschen Eindruck aufkommen zu lassen: Ich will keine allgemeine Rechtsanwaltsschelte betreiben, aber gewisse Anwälte, die es offenbar zum Schwerpunkt ihrer Tätigkeit gemacht haben, Inkasso von Online-Händlern zu betreiben, agieren nach meinem Dafürhalten mit Methoden, die aus meiner Sicht sehr fragwürdig sind. Dabei geht es auch nicht darum, dass Inkasso-Geschäfte zum Tätigkeitsbereich eines Rechtsanwalts gehören. Es geht vielmehr um die Art und Weise, wie diese ausgeübt wird, wenn es um Online-Geschäfte geht.

Wenn ich meine Arzt-Rechnung nicht bezahlt habe und ich schließlich ein solches Rechtsanwaltsschreiben bekomme, dann ist sicherlich an folgender Formulierung nichts auszusetzen:

Unsere Mandantschaft hat uns beauftragt, nötigenfalls auch gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, sollte die Angelegenheit nicht außergerichtlich erledigt werden können. Auf die damit verbundenen weiteren Kosten und Unannehmlichkeiten weisen wir Sie ausdrücklich hin!

Aber im Gegensatz zu dem von mir gewählten Beispiel, wo es vermutlich unstrittig ist, dass ich die Kosten verursacht habe und deshalb deren Schuldner bin, steht dies gerade bei Geschäften im Internet eben nicht immer fest. Auch hier gibt es keine Regel, denn wenn ich zum wiederholten Male Lieferungen von einem Online-Händler bekommen (und bezahlt) habe, und zwar immer an die gleiche Adresse, dann darf man schon annehmen, dass ich zum Schuldner geworden bin, wenn ich die fünfte oder sechste Lieferung nicht bezahlt habe.

Aber leider nimmt es der Online-Handel bei der Prüfung, mit welcher Person ein Vertrag im Internet abgeschlossen wird, nicht sonderlich ernst und auch was die Auslieferung betrifft, so wird es durch die Praktiken einzelner Transportunternehmen den Betrügern leicht gemacht, die bestellte Ware anonym und fast gefahrlos in Empfang zu nehmen. Ich erlebe es im polizeilichen Alltag leider immer wieder, dass Personen mit einem Inkasso-Schreiben zu mir kommen und erklären, dass sie damit überhaupt nichts zu tun haben. Sehr oft ergeben dann die Ermittlungen, dass die Lieferung an eine Adresse geliefert wurde, die Hunderte Kilometer entfernt war, was die Behauptung unterlegt.

Solange überhaupt nicht feststeht, wer also der Schuldner ist, so ist die eingangs zitierte Formulierung eben nur die ‚halbe Wahrheit‘, weil richtig ist, dass der Gläubiger (das Inkasso-Unternehmen oder der Online-Händler) sehr wohl die Gerichte bemühen kann, aber es eben zur vollen Wahrheit gehört, dass dieses Bemühen zum Scheitern verurteilt ist, weil der Beweis nicht erbracht werden kann, wer der Schuldner ist. Der Hinweis auf weitere Kosten ist nach meinem Dafürhalten schon grenzwertig zur Lüge, wenn der Anwalt genau weiß oder zumindest wissen müsste, dass die nur dann gilt, wenn der Schuldner verurteilt wird.

Der Anlass für diesen Beitrag sind Rechtsanwaltsschreiben, die ich im Rahmen einer Anzeigenerstattung zur Kenntnis bekommen habe, wo die Sachlage noch eindeutiger ist und deshalb aus meiner Sicht deutlich wird, dass es hauptsächlich um Einschüchterung der vermeintlichen Schuldner geht:

Im Internet gibt es Websites, die pornographische Inhalte enthalten. Es ist nicht schwer zu erraten, dass hauptsächlich Männer zu der Kundschaft gehören, die solche Inhalte gerne sehen möchten. Nur kostet das etwas, was nachvollziehbar ist, denn nicht nur der Betrieb der Website verursacht Kosten, sondern auch die Darsteller der Inhalte wollen für ihre Dienstleistung entlohnt werden. Also kostet das Betrachten der Inhalte sozusagen ‚Eintrittsgeld‘.

Um dieses ‚Eintrittsgeld‘ zu erheben, gäbe es verschiedene Möglichkeiten, indem zum Beispiel sofort mit Kreditkarte gezahlt werden kann. Da aber viele der potentiellen Kunden entweder gar keine Kreditkarte haben oder diese dafür nicht einsetzen wollen, bedarf es anderer Lösungen.

Eine denkbare Lösung wäre, dass der Kunde seine Personalien eingeben muss und dann (online) eine Rechnung erhält. Sobald er das Geld bezahlt hat, ist das ‚Eintrittsgeld‘ entrichtet und er kann sich an den Inhalten bedienen. Aber auch diese Lösung scheidet für viele Betreiber aus, obwohl es eine sichere und saubere Lösung wäre, denn diese Prozedur dauert zu lange. Der Kunde ist jetzt im Moment scharf darauf, die versprochenen Inhalte zu konsumieren und wird zu einer anderen Website surfen, auf die der Zugang wesentlich schneller geht. Da die meisten Betreiber solcher Porno-Sites so denken und schließlich untereinander in Konkurrenz stehen, hat sich ein schnelles Verfahren durchgesetzt, welches aber letztendlich auf Vertrauen und Ehrlichkeit setzt:

Der Kunde muss sich zuerst einmal anmelden, wobei man im ersten Schritt nur eine E-Mail-Adresse braucht. Diese kann man sich bequem von einem der vielen Freemail-Provider auch unter falschem Namen (also anonym) besorgen. So kommt man also schon einmal in das „Vorzimmer“ der Website, wo man zumindest schon erkennen kann, was einem erwartet, wenn man schließlich ganz drin ist.

Wer ganz rein will, muss jetzt ein Online-Formular ausfüllen, wo nach seinen Personalien und seiner Bankverbindung gefragt wird. Sobald dies geschehen ist, öffnet sich die Pforte zum (virtuellen) Paradies. Wer ehrlich ist, der gibt seine richtigen Personalien und seine Bankverbindung an. Das ‚Eintrittsgeld‘ wird dann einfach vom Konto abgebucht. Allerdings öffnet sich die Pforte auch dann, wenn man die Personalien des Nachbars und die Bankverbindung seines Autohauses eingibt, die auf der letzten Rechnung gestanden hat. Überprüft wird das nicht, denn der Computer, der den Zugang frei gibt, kann die Daten höchstens auf Vollständigkeit und Plausibilität prüfen.

Zurück zum Schreiben des Rechtsanwalts, aus welchem ich zum Eingang meines Beitrags zitiert habe: Etwa ein halbes Jahr hat irgendeine Person an die virtuelle Pforte der Website geklopft und hat, um Einlass zu bekommen, irgendwelche Personalien und eine x-beliebige Bankverbindung eingegeben. Die Pforte hat sich danach geöffnet, aber als die Betreiberin der Website (eine Firma mit Sitz im Ausland) das Geld abbuchen wollte, hat der Kontoinhaber Widerspruch dagegen eingelegt. Schließlich hatte er offenbar mit der Sache nichts zu tun, weil die Bankverbindung wahllos gewählt wurde.

Die Sache wurde nun einem Inkasso-Unternehmen übergeben, welches zunächst feststellte, dass der Otto Mustermann an der angegebenen Adresse offenbar gar nicht auffindbar ist. Also recherchierte man in irgendwelchen Quellen und fand schließlich heraus, dass es tatsächlich einen Otto Mustermann gibt, auch wenn dieser an einem ganz anderen Ort wohnhaft ist. Also schickte das Inkasso-Unternehmen diesem Otto Mustermann ein Schreiben mit der Aufforderung, die noch offene Forderung so schnell als möglich zu begleichen. Das macht natürlich Herr Mustermann nicht, weil er mit der ganzen Sache nichts zu tun hat und von der besagten Website noch nie was gehört hat.

Wenn nun das Verfahren zu Ende wäre, dann gäbe es meinen Beitrag hier nicht. Aber leider erlebe ich immer wieder, dass die Forderung schließlich einem Rechtsanwalt übergeben wird, der schließlich ein Schreiben mit solchen Formulierungen, wie ich sie eingangs zitiert habe, an Herrn Mustermann schickt. Wenn damit Herr Mustermann eingeschüchtert wird, weil er an die möglichen Folgen denkt, dann wird er bezahlen. Anderenfalls geht er damit zur Polizei.

Was ist an diesem Schreiben auszusetzen? Dazu zitiere ich aus einem ähnlich lautenden Schreiben:

Ich weise rein formell darauf hin, dass Online Geschäfte im Internet denselben Gesetzen und der Gerichtsbarkeit unterliegen wie alle anderen Rechtsgeschäfte und daher von verbindlicher Natur sind. Sollten Sie den oben aufgeführten Betrag nicht innerhalb der vorgegebenen Frist einzahlen, werde ich meiner Mandantin empfehlen, die Forderung gerichtlich geltend zu machen, wodurch zusätzliche Kosten für Sie entstehen können. Beachten Sie bitte auch, dass unsere Kanzlei Vertragspartner der SCHUFA ist.

Rein formal ist an dem Schreiben nichts auszusetzen, aber die halbe Wahrheit ist, wenn dadurch der Gehalt der Aussage merklich verändert wird, so verwerflich wie eine Lüge. Die ganze Wahrheit würde sich wie folgt anhören:

Meine Mandantin hat keine Beweise dafür, dass Sie unser Schuldner sind. Wenn Sie es nicht freiwillig zugeben, dann können wir das unmöglich vor Gericht beweisen. Falls sich meine Mandantin trotzdem entschließen sollte, zu versuchen, die Forderung in einem Gerichtsverfahren durchzusetzen, dann könnten hierdurch erhebliche Kosten für Sie entstehen.“

Das wird natürlich kein Rechtsanwalt so schreiben, aber angesichts der Erkenntnis, die der Anwalt haben müsste, dass er die Forderung mangels Beweisen nie vor Gericht erfolgreich geltend machen kann, finde ich es moralisch höchst verwerflich, Menschen damit zu konfrontieren, die sich im Recht nicht oder nur unzureichend auskennen und schließlich noch mit der SCHUFA zu drohen.

Warum tun dies aber gewisse Rechtsanwälte überhaupt? Die Antwort ist einfach: Aus den Schreiben, die mir bei einer Anzeigeerstattung bekannt wurden, war jedes Mal zu entnehmen, dass nur die Kosten der Mandantschaft gefordert wurden. Ist also der Rechtsanwalt ohne Bezahlung tätig geworden?

Tatsächlich ist es so, dass zunächst die Person oder die Firma, die den Anwalt beauftragt hat, für die Kosten aufkommen muss. Ein Anwaltsvertrag ist grundsätzlich vergleichbar mit jedem anderen Dienstleistungsvertrag: Wer den Auftrag erteilt, der bezahlt. Wenn jedoch eine gerichtliche Entscheidung ergeht, dann trägt die Partei, die verloren hat, regelmäßig die Kosten. Nach meinen Informationen gilt das auch für eine außergerichtliche Einigung.

Wenn Herr Mustermann also einmal gezahlt hat, dann gilt das als eine solche außergerichtliche Einigung und er kann darauf warten, bis die Rechnung des Anwalts noch dazu kommt. Aber genau hier können Sie unter Umständen zum Gegenschlag ausholen, wenn sie nicht gezahlt haben oder nicht zahlen wollen:

Beauftragen Sie selbst einen Anwalt, der ihre Interessen vertritt. Mir ist aus verschiedenen Berichten von Betroffenen bekannt, dass folgendes Vorgehen zum Erfolg führte: Der Anwalt von Herrn Mustermann wendet sich an den Anwalt des Inkasso-Unternehmens und teilt mit, man möge die Beweise vorlegen, dass Herr Mustermann tatsächlich der Schuldner sei. Alsbald wird der Anwalt des Inkasso-Unternehmens mitteilen, dass man die Forderung nicht länger verfolge.

Er macht dies, weil ihm die Beweise fehlen, aber das wird er nicht zugeben. Ganz egal, ob er als Begründung angibt, dass es sich um ein bedauerliches Büroversehen handle oder sonst eine andere Begründung liefert: Tatsache ist, dass es eine außergerichtliche Einigung gegeben hat und die Gegenseite (also Inkasso) nun die Kosten (für den Anwalt von Herrn Mustermann) übernehmen muss.

Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass ich selbst einen solchen Fall noch nicht praktiziert habe und deshalb keine Gewähr auf Richtigkeit abgeben kann. Holen Sie sich deshalb eine verbindliche Auskunft des Rechtsanwalts ein, wenn Sie diesen Weg gehen wollen. Fragen kostet nichts, weshalb Sie zumindest diesen Vorschlag zur Prüfung unterbreiten sollten.

Ich schließe meinen Beitrag damit, dass diese Ausführungen auch sinngemäß für Bestellungen und Lieferungen im Internet gelten, weil die Vorgehensweise der Online-Händler, anschließend der Inkasso-Unternehmen und der in ihrem Auftrag handelnden Rechtsanwälte in vielen Fällen vergleichbar ist.

Dienstag, 31. Dezember 2019

Online-Händlern machen es Betrügern immer noch zu leicht.

Einkaufen im Internet ist für viele selbstverständlich geworden. Man kann bequem von zuhause aus suchen, dabei sogar noch Preise vergleichen und hat mitunter eine noch größere Auswahl, als wenn man in ein Kaufhaus gehen würde. Und wenn etwas nicht passt oder gefällt, dann schickt man es einfach wieder zurück. Tolle Sache.

Dass die Kehrseite der Medaille ganz anders aussieht, wird dabei gerne vergessen. Abgesehen davon, dass viele der Personen, die die Pakete ausliefern, 6 Tage in der Woche (also auch an Samstagen) mitunter unter Mindestlohn arbeiten müssen, dass vermutlich auch die Öko-Bilanz beim Versandhandel nicht gerade günstig ausfällt, wenn jeder Artikel einzeln geliefert wird, vom Verpackungsmaterial und den Rücksendungen einmal abgesehen, so liest man zudem in den Medien von Sachverhalten, die einem nur noch als absurd vorkommen können: Angeblich werden die ganzen oder ein Großteil der Rückläufer bei einem großen Händler mit einem A im Namen, selbst wenn sie noch original verpackt seien, einfach vernichtet, wie ich dieser Tage lesen musste.

Doch all dies ist nicht das Thema meines Beitrags, denn ich will nachfolgend eine andere Facette des Online-Handels beleuchten und habe die Einleitung nur deshalb gewählt, um zu verdeutlichen, dass das man diese anscheinend so zeitgemäße Form des Einkaufens nicht bedingungslos als eine gute Errungenschaft sehen sollte. Online-Handel mag dort seine Berechtigung haben, wo Güter gehandelt werden, die man eben nicht in jeder Stadt und auch nicht in jeder Großstadt bekommt, aber die Umsätze der Marktführer von A bis Z (die Namen können Sie sich denken) sprechen da eine andere Sprache.

Solange es Supermärkte und Einkaufszentren gibt, wird es erfahrungsgemäß auch immer Ladendiebstähle geben, wobei sich der Einzelhandel schon bemüht, diesem Phänomen entgegen zu wirken, indem nicht nur bestimmte Güter besonders gesichert werden, sondern auch durch den Einsatz von Ladendetektiven, um ein gewisses Maß der Abschreckung zu erreichen. Was allerdings den Online-Handel betrifft, so scheint man hier keinen so großen Wert darauf zu legen. Beim Verkauf kann immer wieder und immer noch beobachtet werden, dass seitens der meisten Händler eine übermäßig große Sorglosigkeit herrscht:

Sicherlich ist es für den Händler so gut als unmöglich, die Identität des Käufers zu ermitteln bzw. sicher festzustellen. Trotzdem bieten die meisten Händler auch für Kunden, die sie noch nicht kennen, also auch für Erstkunden, Zahlungsoptionen wie das Lastschriftverfahren oder Zahlung auf Rechnung an. Auch wird offenbar kritiklos hingenommen, dass die Rechnung nach Stuttgart und die Ware nach Düsseldorf geschickt werden soll, also dass Rechnungs- und Lieferadresse voneinander abweichen. Hauptsache, man hat schnell verkauft.

Aber halt: Wichtiger als das Verkaufen ist doch, dass der Kunde die Ware auch bezahlt. Selbst das Lastschriftverfahren ist hier nicht sicher, denn wenn der Käufer ein fremdes Konto zum Einzug des Kaufpreises angibt, dann fällt der Schwindel erst dann auf, wenn die Ware schon lange geliefert worden ist. Und damit komme ich zum Kernpunkt meiner Ausführungen:

Der Online-Handel macht es in vielen Fällen Betrügern viel zu leicht, ohne zu bezahlen an die Waren zu kommen. Sicherlich ist noch immer die Masse der Käufer ehrlich, sodass man diesen Schwund vermutlich bereits einkalkuliert hat, auch wenn der ehrliche Käufer letztendlich, wenn auch zu einem geringen Anteil, den Schadensersatz für diese Betrüger mit trägt. Und schließlich gibt es auch noch die Inkasso-Unternehmen, die spätestens dann auf den Plan treten, wenn auf Rechnungen und Mahnungen keine Reaktion erfolgt ist.

Dass dabei die Inkasso-Unternehmen letztendlich auch Geld verdienen, steht außer Frage. Dort, wo sie zurecht aktiv werden, halte ich das durchaus für gerechtfertigt, aber in vielen Fällen, die mir bekannt wurden, hätte man deren Dienste gar nicht gebraucht, wenn vorher etwas mehr Sorgfalt an den Tag gelegt worden wäre. Denn wenn Betrüger am Werk waren, dann werden meistens später auch Unbeteiligte darin verwickelt und für diese kann dies zum wahren Alptraum werden.

So erging es einer jungen Frau, die sich über einem längeren Zeitraum ständig Mahnungen und Inkassoschreiben ausgesetzt sah. Im Sommer hatte eine unbekannte Täterschaft damit begonnen, in verschiedenen Shops im Internet einzukaufen und benutzte dabei den Namen und die Adresse der jungen Frau, zumindest, was die Rechnungsadresse betraf. Eingekauft wurde entweder auf Rechnung oder mittels des Lastschriftverfahrens (über ein fremdes Konto), was, wie bereits erwähnt, offenbar immer noch bei vielen eShops problemlos möglich ist.

Da beim Online-Einkauf die Rechnung zuerst via E-Mail geschickt wird und deshalb an die Täterschaft ging, erfuhr die junge Frau zunächst nichts davon. Erst, als keine Bezahlung erfolgte und eine per E-Mail übersandte Zahlungserinnerung auch nicht gefruchtet hatte, bekam sie Briefe von verschiedenen Händlern, oftmals schon von Inkasso-Unternehmen, wo ihr mitgeteilt wurde, dass sie die berechtigte Forderung des Händlers immer noch nicht beglichen habe. Man drohte ihr mit Schufa-Einträgen, Zwangsvollstreckung und Lohnpfändung, um nur ein paar der vorgezeigten Waffen zu nennen, die Inkasso-Unternehmen gerne gebrauchen.

Der jungen Frau blieb keine andere Wahl, als dass sie sich jedes Mal mit dem Händler oder dem Inkasso-Büro in Verbindung setzen und erklären musste, dass sie weder Ware bestellt noch bekommen habe. Die Reaktionen darauf waren unterschiedlich: Es gab Händler, die das sofort akzeptieren, andere blieben hartnäckig und bestanden weiter auf der Zahlung. Als sie dann nachfragte, wohin die Ware geliefert worden sei, erhielt sie nicht nur einmal die Auskunft, dass man ihr das aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht sagen dürfe.

Ich muss dabei immer schmunzeln, wenn der Datenschutz dazu benutzt wird, berechtigte Auskünfte zu verweigern. Denn zum Zeitpunkt, als die Daten gespeichert wurden, da kannte man offenbar den Datenschutz nicht oder man nahm ihn einfach nicht ernst, denn die jeweiligen Händler haben die Daten der jungen Frau letztendlich ohne deren Einverständnis gespeichert. Wenn ein Inkasso-Unternehmen beauftragt wurde, dann wurden diese sogar unberechtigt weiter gegeben. Aber wenn dann die Person nachfragt, deren Daten unrechtmäßig gespeichert wurden und man verweigert die Herausgabe derselben aus Datenschutzgründen, dass ist das für mich nur noch absurd, wenn nicht sogar pervers.

Als sie schließlich keinen anderen Ausweg mehr wusste, erstattete sie Anzeige gegen Unbekannt, wobei die Taten auch nach der Anzeigeerstattung nicht aufhörten, sondern es wurden immer wieder neue Fälle bekannt. Dabei wurde bekannt, dass bei manchen Online-Händlern gleich mehrfach hintereinander bestellt worden war, ohne dass dies aufgefallen wäre. Anfangs hatte sich die Täterschaft bemüht, die Beträge unter 100 Euro zu halten, weil sie vielleicht vermutet hatte, dass bei kleineren Beträgen die Händler großzügiger sein würden. Aber offenbar wurde keiner der besagten Händler misstrauisch, dass an drei oder vier Tagen hintereinander Bestellungen aufgegeben wurden. Bei einem bekannten großen Internet-Händler (ohne A im Namen) häuften sich die Rechnungen auf über 2.000 Euro.

Was aber das besondere an diesem Fall war und weshalb ich mich auch entschlossen habe, diesen Beitrag zu schreiben, das war, dass die Täterschaft für alle betrügerischen Bestellungen immer die gleiche Lieferadresse angegeben hatte. Es handelte sich dabei keineswegs um die Adresse der jungen Frau, die jedes Mal lediglich als Rechnungsadresse angegeben wurde, sondern um die Adresse einer in einem ganz anderen Bundesland niedergelassen Firma, deren Geschäftszweck es ist, für fremde Personen Pakete und Warensendungen anzunehmen und diese dann weiter zu schicken. So landeten alle Waren letztendlich in China und der Geschäftsführer dieser Firma rechtfertigte sein Tun damit, dass dieser Service für Kunden aus China notwendig sei, weil viele deutsche Händler nicht nach China liefern würden.

Wenn Sie als Privatperson so etwas machen, dass sie also für eine andere Person die Vorteile aus einer Straftat (in diesem Fall die Waren, die aus einer Betrugstat stammen) ins Ausland verbringen, dann wird die Staatsanwaltschaft gegen Sie wegen Geldwäsche (ein Straftatbestand im Strafgesetzbuch) ermitteln, auch wenn viele Verfahren dann wieder eingestellt werden, wenn anzunehmen ist, dass der oder die Beschuldigte ahnungslos gewesen war. Aber offenbar ist das für gewisse Firmen legal, die mit diesem Service sogar werben und sicherlich auch daran verdienen.

Wenn Sie als Privatperson einmal in finanziellen Schwierigkeiten gesteckt haben und nicht gleich alle Schulden begleichen konnten, dann ist es wahrscheinlich, dass Sie in einer Datei verzeichnet und deshalb nicht mehr kreditwürdig sind. Das trifft aber nur den Ehrlichen, oder soll ich sagen: den Dummen? Wenn jemand beim Handel nicht mehr kreditwürdig erscheint, dann bestellt man auf den Namen einer seiner Kinder oder der Oma, egal, wie alt die Person ist. Trotzdem gibt es diese Datei bzw. Dateien, vor der viele Menschen Angst haben.

Aber anscheinend schafft es der Handel nicht, gewisse Lieferadressen in einer Datei zu vermerken, um vorzubeugen, dass die Täterschaft immer wieder die gleiche Adresse benutzen kann. Ich fordere ja nicht, dass dann gewisse Adressen gar nicht mehr beliefert werden dürfen, aber wenn man in solchen Fällen auf Vorkasse bestehen würde, dann stünde einer Lieferung auch nichts mehr im Wege. Aber es möge mir keiner mit dem Argument kommen, das gehe aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht.

Denn wenn bei einer Bestellung mit anschließender Lieferung etwas feststeht, dann ist es die Lieferadresse, wohin die Waren geliefert wurden. Alle anderen Daten, insbesondere der Name und die (Rechnungs-) Adresse des Kunden, sind nirgends überprüft worden, weil sie ohne größeren Aufwand nicht überprüft werden konnten. Wenn aber der Speicherung dieser nicht überprüften Daten offenbar nichts im Wege steht, dann ist es unerklärlich, warum eine nachweislich von Betrügern genutzte Lieferadresse nicht gespeichert werden sollte.

Ich muss zur Ehrenrettung des Online-Handels noch erwähnen, dass es auch zahlreiche, offenbar ‚kleinere’ Händler gibt, die viel mehr Sorgfalt an den Tag legen und bei Verdachtsmomenten den Kunden freundlich um Vorkasse bitten. Sie möchte ich ermutigen, dies weiter zu tun, denn irgendwann wird sich diese Vorgehensweise auch auszahlen, wenn die Betrugstaten im Internet weiter zunehmen, weil man insbesondere im Ausland merkt, wie einfach dies in Deutschland geht.

Ich wünsche Ihnen als Käufer, dass Ihnen nicht das Gleiche passieren soll, was dieser jungen Frau passiert ist. Aber wenn doch, dann erstatten Sie eine Anzeige bei der Polizei. Zwar sind die Möglichkeiten, die Täterschaft bei solch einer Konstellation zu ermitteln, äußerst gering, aber die Erfahrung lehrt, dass die Forderungen meistens eingestellt werden, wenn dem Händler oder dem Inkasso-Unternehmen bekannt wurde, dass Anzeige erstattet worden ist.


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