Samstag, 30. Januar 2021

Warnung: INKASSO-Schreiben müssen nicht immer echt sein

 

Wie immer schreibe ich meine Beiträge dann, wenn mir in meiner Tätigkeit als polizeilicher Internet-Ermittler etwas auffällt, wo ich denke, dass es sich lohnen würde, darüber zu schreiben. So musste ich mich vor nicht allzu langer Zeit mit einem dubiosen Inkasso-Schreiben beschäftigen, welches ich nach Prüfung des Inhalts zumindest für sehr dubios gehalten habe. Die Schwierigkeit dabei ist die, dass sich Polizei und Staatsanwaltschaften an Tatsachen halten müssen, wenn es um eine Straftat (in diesem Falle ein versuchtes Betrugsdelikt) handelt.

Sicherlich kann die Polizei ein Ermittlungsverfahren einleiten, wenn ein Anfangsverdacht vorhanden ist, aber selbst bei sehr dubios anmutenden Schreiben ist der finale Beweis oftmals nur sehr schwer zu erbringen, gerade wenn es um (behauptete) Forderungen geht, wo die Ermittlungsbehörden den Beweis erbringen müssten, dass die Forderungen unrechtmäßig sind und, das ist im Strafrecht zudem wichtig, dass das Inkasso-Unternehmen dies (vorher) sicher wusste. 

Daher bleibt oftmals nur die Prävention, also auf solche Sachverhalte aufmerksam zu machen und den Bürger aufzuklären, auf was zu achten wäre. Zu diesem Zweck soll der nachfolgende Beitrag dienlich sein:

 

Was ist ein Inkassounternehmen?

Inkassounternehmen sind zunächst nichts anderes als Firmen, deren Betätigungsfeld darin besteht, die Schulden anderer einzutreiben, wofür sie natürlich eine entsprechende Gebühr verlangen. Über die mitunter merkwürdig anmutenden Methoden, die das eine oder andere Unternehmen so an der Tag legt, vor allem, wenn es um die Ermittlung von Personen geht, habe ich schon einige Male geschrieben. Obwohl diese Unternehmen grundsätzlich nur Dienstleister sind und keine anderen Rechte haben als der ursprüngliche Gläubiger, so schrecken doch viele Menschen auf, wenn sie Post von einem solchen Inkasso-Unternehmen bekommen.

Viele Menschen stellen sie gedanklich dem Gerichtsvollzieher gleich, was aber nicht stimmt, denn wenn der Gerichtsvollzieher kommt, dann kann dieser vollstrecken, weil es hierfür bereits einen rechtskräftigen Gerichtsbeschluss gibt. Ich will keinesfalls dazu aufrufen, Inkasso-Schreiben auf die leichte Schulter zu nehmen oder gar zu ignorieren, denn möglicherweise folgt danach doch ein Mahn- und dann ein Vollsteckungsbescheid und dann kommt tatsächlich eines Tages der Gerichtsvollzieher.

Weil aber immer noch viele Menschen ein Inkasso-Schreiben gedanklich auf die gleiche Stufe wie ein Vollstreckungsbescheid eines Gerichts stellen, nutzen dies immer wieder Gauner und Betrüger aus, um als angebliches Inkasso-Unternehmen ihre Opfer zu einer Zahlung zu bewegen, worauf sie überhaupt keinen Anspruch gehabt hätten, zumindest nicht vor einem ordentlichen deutschen Gericht. So kam mir dieser Tage ein solches Schreiben in die Hände, welches ich in diesem Beitrag einmal exemplarisch vorstellen möchte:

 

Geschickt verpackte Drohungen, die man durchschauen kann:

Letzte außergerichtliche Mahnung vor gerichtlichen Schritten“ stand dick und fett gedruckt in der Überschrift. Man beachte, dass das Wort „Gericht“ gleich zweimal darin vorkommt, was sicherlich seine Wirkung nicht verfehlt, weil viele Menschen bestrebt sind, ein Leben lang mit „dem Gericht“ nichts zu tun gehabt zu haben. 

Erst im Kleingedruckten erfährt die oder der Lesende dann, dass es sich um eine Forderung einer angeblichen Gewinnspielfirma handelt. Aber keine Angaben darüber, wo man diese Firma finden könnte, keine Adresse, nicht einmal eine Internet-Adresse. So steht nicht einmal fest, ob die Firma, so es sie überhaupt gibt, in Deutschland ihren Sitz hat und wir erfahren auch nicht, wann und wie die Forderung zustande gekommen sei. Stattdessen steht da der lapidare Satz: „[…] bedauerlicherweise haben Sie die Ihnen bekannte Forderung noch nicht ausgeglichen.“ 

In allen Inkasso-Schreiben von Firmen, welche ich für seriös halte, konnte ich immer Angaben darüber finden, wer der eigentliche Gläubiger (mit Adresse) ist und wann und wie die behauptete Forderung zustande gekommen war. Diese Angaben bieten dem Adressaten die Möglichkeit, sich überhaupt mit der Forderung auseinander zu setzen.

Stattdessen kommt in dem Schreiben, welches ich zum Anlass für diesen Beitrag genommen habe, erneut Psychologie zum Einsatz: Man bietet eine Pauschalzahlung von knapp unter 200 Euro an, mit welcher alle Forderungen beglichen wären. Daneben steht eine Auflistung, welche Forderungen in einem „nachgerichtlichen Mahnverfahren“ auf den angeblichen Schuldner zukommen würden, nämlich fast 700 EUR.

Ungeachtet dessen, dass der Ausdruck „nachgerichtliches Mahnverfahren“ jede rechtskundige Person zum Lachen bringt, weil es so etwas einfach nicht gibt, weil nämlich die korrekte Bezeichnung entweder das „Gerichtliche Mahnverfahren“ oder nach ergangenem Urteil das „Vollstreckungsverfahren“ wäre, so ist eine solche Differenz unrealistisch und soll nur dazu dienen, den angeblichen Schuldner unter Druck zu setzen: Wenn ich jetzt nicht reagiere, dann wird es viel, viel teurer.

Wie immer in solchen Fällen wird dabei pfleglich vergessen, dass der Gläubiger (also die angebliche Gewinnspielfirma oder bei Abtretung die Inkasso-Firma) vor Gericht den Beweis antreten muss, dass die Forderung zurecht besteht. Stattdessen wird weiter über die schrecklichen Folgen referiert, die bei Nicht-Zahlung auf den Schuldner zukommen würden und man gibt sich menschenfreundlich mit den schönen Satz: „Wir […] möchten immer eine außergerichtliche Lösung finden“, was für mich übersetzt heißt: „Vor Gericht hätten wir (also das Inkassounternehmen) keine Chance.“

Dass in dem Text die Anrede des Schuldners einmal vom höflichen „Sie“ in das persönliche „Du“ wechselt, habe ich dann mit einem Schmunzeln vernommen. Doch erst diesen Satz fand ich dann doch peinlich, was vielleicht Jemanden nicht gleich auffällt, die/der sich damit nicht beruflich beschäftigt: „Bitte nehmen Sie die Zahlung umgehend vor, um das gerichtliche Mahnverfahren einzustellen!“ Hier wird vorgegaukelt, es gäbe bereits ein gerichtliches Mahnverfahren, was aber überhaupt nicht der Fall sein kann.

Wenn gegen Sie ein gerichtliches Mahnverfahren eingeleitet worden ist, dann bekommen Sie Post (in einem gelben Umschlag) von einem deutschen Mahngericht. Dies passiert, wenn dort eine Person (das kann auch eine juristische Person wie eine Firma sein) behauptet, sie hätte eine Forderung gegen Sie, die sie vor dem Gericht genau bezeichnen muss. Wenn diese Person dann die Gebühren für das Gericht entrichtet hat, dann verschickt dieses ohne weitere Prüfung des Sachverhalts an den angegebenen Schuldner einen Mahnbescheid. Dieser hat dann 14 Tage Zeit, sich dagegen zu wehren, denn danach wird der Bescheid rechtskräftig und kann vollstreckt werden.

Weil aber das Gericht überhaupt nicht geprüft hat, ob die Forderung zu Recht besteht, wird mit dem Mahnbescheid ein Vordruck mitgeschickt, wo man Einspruch einlegen kann. Wenn dieser durch das rechtzeitige Abschicken des unterschriebenen Formulars eingelegt wurde, ist das Mahnverfahren beendet und der Gläubiger muss versuchen, die Forderung vor einem Zivilgericht vorzubringen, wo er in der Pflicht steht, die Rechtmäßigkeit seiner Forderung zu beweisen. Das Mahnverfahren ist letztendlich nur dazu da, um solche Schuldner, die auf nichts reagieren, irgendwann vollstrecken zu können.

Daher ist die Aufforderung, unverzüglich zu bezahlen, um das gerichtliche Mahnverfahren einzustellen, reine Einschüchterung, wenn es überhaupt noch kein Mahnverfahren gibt bzw. gegeben hat. Dieser Ratschlag ist nur dann sinnvoll, wenn es bereits einen rechtskräftig gewordenen Mahnbescheid gibt, denn dann sollte man bezahlen, um weitere Kosten für das Vollstreckungsverfahren zu sparen.

 

Weitere Auffälligkeiten, auf die Sie achten sollten:

Abgesehen davon, dass besagte (Pseudo-) Inkassofirma keine Auskunft darüber gibt, welche Rechtsform (z.B. GmbH) sie hat, aber dafür einen Geschäftsführer benennt, der dafür auf dem beigefügten Überweisungsformular jedoch als Kontoinhaber erscheint, dass sie keine postalische Adresse offenbart, sondern nur ein Postfach anbietet, so hat mich letztendlich diese Angabe stutzig gemacht: „Zugelassenes Inkasso-Unternehmen nach § 10 Absatz 1 Nr. RDG (Az. … )“.

Diese Angabe sagt überhaupt nichts aus. Die Abkürzung RDG steht für „Rechtsdienstleistungsgesetz“, wo besagter § 10 Absatz 1 Nr. 1 besagt, dass Inkassounternehmen behördlich registriert sein müssen, wenn sie die entsprechende Sachkunde nachgewiesen haben. Sinnvoller wäre gewesen, die Behörde zu nennen, bei welcher das Unternehmen (angeblich) registriert sei.

Also: Wenn Sie ein Schreiben dieser Art bekommen, dann können Sie davon ausgehen, dass die Forderung mehr als fraglich erscheint. Letztendlich liegt es an Ihnen, wie sie damit umgehen. Wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, lohnt es sich sicherlich, dieses einem Anwalt zu zeigen. Haben Sie keine Versicherung, dann müssen Sie damit rechnen, dass Sie die Kosten für einen Anwalt selber tragen müssen, wenn sich das scheinbare Inkasso-Unternehmen als Maske eines Betrügers entpuppt, welcher seine Identität verschleiert hat oder welcher einfach nicht auffindbar und damit auch nicht vollstreckbar ist.

Wenn Sie sicher sind, dass die behauptete Forderung nicht rechtmäßig ist, müssen Sie im Grund gar nichts tun und können abwarten, was passiert. Denn wie ich bereits erwähnt habe, muss der Gläubiger beweisen, dass die Forderung zu Recht besteht. Trotzdem schließe ich diesen Beitrag mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass Sie jedoch auf einen Mahnbescheid eines deutschen Gerichts reagieren müssen, weil dieser ansonsten rechtskräftig werden wird, egal, ob die ursprünglich behauptete Forderung zu Recht besteht oder nicht.

 Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesem Beitrag dienlich sein konnte. Weitere Beiträge zum Themenkomplex „Cybercrime“ bzw. „Internet-Kriminalität“ finden Sie auch auf meiner Website [https://bjg-media.de/cybercrime/]. Schauen Sie unverbindlich rein, der Besuch ist garantiert kostenfrei.

Samstag, 2. Januar 2021

Nochmals Warnung vor Fake-Shops und kleine Checkliste

Bereits in Juni letzten Jahres habe ich einen Beitrag erwähnt, dass ich als polizeilicher Ermittler den Eindruck gewonnen habe, dass seit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 Phänomen „Betrug im Internet mittels Fake-Shop“ zugenommen hat. Gerade in der Vorweihnachtszeit, wo wir nochmals einen Lockdown erlebt haben, hat sich das Phänomen meinen Beobachtungen nach nochmals verschärft.


Aus diesem Anlass möchte ich meinen Beitrag vom Juni (Checkliste Fake-Shops) nochmals aktualisieren. Dieser Kurzbeitrag soll den Beitrag vom Juni nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Wer ihn noch nicht gelesen hat, sollte dies nachholen, weil ich dort Grundsätzliches erwähnt habe, was ich hier nicht wiederholen möchte. Verdächtig ist eine sogenannter eShop dann, wenn folgende Kriterien vorliegen:

  • Unschlagbar niedrige Preise. Wenn ein Anbieter die anderen alle überbietet, aber nicht nur mit kleinen Beträgen, dann ist schon mal Vorsicht geboten.
 
  • Werden alternative Zahlarten angeboten, wie zum Beispiel die Zahlung via PayPal oder Abbuchung, dann können Sie dort einkaufen. Bitte aber keine Zahlung via PayPal an Freunde und Verwandte, dann ist etwas faul. Ebenso sollten Sie vorsichtig sein, wenn nur die Option Vorkasse gewählt wird.
 
  • Gibt es nur die Vorkasse, dann Vorsicht! Auf keinen Fall auf ein ausländisches Konto überweisen. Wenn es sich um ein deutsches Konto handelt, dann ermitteln Sie anhand des IBANs, um welche Bank es sich handelt. Es gibt im Internet genügend Programme, wo Sie anhand der Bankleitzahl (das sind die Zahlen 3 bis 10 des IBANs) die Bank ermitteln können. Vorsicht bei Banken, die als Online-Banken bekannt sind. Diese werden gerne von Betrügern (mittels Finanzagenten) genutzt.
 
  • Geben Sie die Website in Google ein. Zahlreiche Verbraucherschutz-Websites warnen davor, wenn ein eShop auffällig geworden ist.
 
  • Lassen Sie sich auch nicht täuschen, dass die Website perfekt aussieht und dass diese ein perfektes Impressum aufweist, das alle notwendigen Daten (Steuer-Nr., Handelsregister, etc.) nennt. Oftmals sind die Daten erfunden oder von einer anderen Firma einfach kopiert worden. Rufen Sie dort an, falls eine Festnetznummer angeboten wird.
 
  •  Ein letzter Tipp für Fortgeschrittene: Wenn Sie in eine Suchmachine WHOIS (who is? = wer ist?) und dann den Namen der Domain eingeben, dann können Sie Daten über die Website bekommen. Wurde diese erst vor kurzem registriert oder über einen Server im Ausland, dann bitte auch Vorsicht.


Eine 100%ige Sicherheit gibt es nicht, aber ich beobachte oft, dass ein bisschen Misstrauen schon ausgereicht hätte, um größeren Schaden zu vermeiden. Deshalb habe ich diese Ratschläge gerne nochmals wiederholt.