Samstag, 30. Januar 2021

Warnung: INKASSO-Schreiben müssen nicht immer echt sein

 

Wie immer schreibe ich meine Beiträge dann, wenn mir in meiner Tätigkeit als polizeilicher Internet-Ermittler etwas auffällt, wo ich denke, dass es sich lohnen würde, darüber zu schreiben. So musste ich mich vor nicht allzu langer Zeit mit einem dubiosen Inkasso-Schreiben beschäftigen, welches ich nach Prüfung des Inhalts zumindest für sehr dubios gehalten habe. Die Schwierigkeit dabei ist die, dass sich Polizei und Staatsanwaltschaften an Tatsachen halten müssen, wenn es um eine Straftat (in diesem Falle ein versuchtes Betrugsdelikt) handelt.

Sicherlich kann die Polizei ein Ermittlungsverfahren einleiten, wenn ein Anfangsverdacht vorhanden ist, aber selbst bei sehr dubios anmutenden Schreiben ist der finale Beweis oftmals nur sehr schwer zu erbringen, gerade wenn es um (behauptete) Forderungen geht, wo die Ermittlungsbehörden den Beweis erbringen müssten, dass die Forderungen unrechtmäßig sind und, das ist im Strafrecht zudem wichtig, dass das Inkasso-Unternehmen dies (vorher) sicher wusste. 

Daher bleibt oftmals nur die Prävention, also auf solche Sachverhalte aufmerksam zu machen und den Bürger aufzuklären, auf was zu achten wäre. Zu diesem Zweck soll der nachfolgende Beitrag dienlich sein:

 

Was ist ein Inkassounternehmen?

Inkassounternehmen sind zunächst nichts anderes als Firmen, deren Betätigungsfeld darin besteht, die Schulden anderer einzutreiben, wofür sie natürlich eine entsprechende Gebühr verlangen. Über die mitunter merkwürdig anmutenden Methoden, die das eine oder andere Unternehmen so an der Tag legt, vor allem, wenn es um die Ermittlung von Personen geht, habe ich schon einige Male geschrieben. Obwohl diese Unternehmen grundsätzlich nur Dienstleister sind und keine anderen Rechte haben als der ursprüngliche Gläubiger, so schrecken doch viele Menschen auf, wenn sie Post von einem solchen Inkasso-Unternehmen bekommen.

Viele Menschen stellen sie gedanklich dem Gerichtsvollzieher gleich, was aber nicht stimmt, denn wenn der Gerichtsvollzieher kommt, dann kann dieser vollstrecken, weil es hierfür bereits einen rechtskräftigen Gerichtsbeschluss gibt. Ich will keinesfalls dazu aufrufen, Inkasso-Schreiben auf die leichte Schulter zu nehmen oder gar zu ignorieren, denn möglicherweise folgt danach doch ein Mahn- und dann ein Vollsteckungsbescheid und dann kommt tatsächlich eines Tages der Gerichtsvollzieher.

Weil aber immer noch viele Menschen ein Inkasso-Schreiben gedanklich auf die gleiche Stufe wie ein Vollstreckungsbescheid eines Gerichts stellen, nutzen dies immer wieder Gauner und Betrüger aus, um als angebliches Inkasso-Unternehmen ihre Opfer zu einer Zahlung zu bewegen, worauf sie überhaupt keinen Anspruch gehabt hätten, zumindest nicht vor einem ordentlichen deutschen Gericht. So kam mir dieser Tage ein solches Schreiben in die Hände, welches ich in diesem Beitrag einmal exemplarisch vorstellen möchte:

 

Geschickt verpackte Drohungen, die man durchschauen kann:

Letzte außergerichtliche Mahnung vor gerichtlichen Schritten“ stand dick und fett gedruckt in der Überschrift. Man beachte, dass das Wort „Gericht“ gleich zweimal darin vorkommt, was sicherlich seine Wirkung nicht verfehlt, weil viele Menschen bestrebt sind, ein Leben lang mit „dem Gericht“ nichts zu tun gehabt zu haben. 

Erst im Kleingedruckten erfährt die oder der Lesende dann, dass es sich um eine Forderung einer angeblichen Gewinnspielfirma handelt. Aber keine Angaben darüber, wo man diese Firma finden könnte, keine Adresse, nicht einmal eine Internet-Adresse. So steht nicht einmal fest, ob die Firma, so es sie überhaupt gibt, in Deutschland ihren Sitz hat und wir erfahren auch nicht, wann und wie die Forderung zustande gekommen sei. Stattdessen steht da der lapidare Satz: „[…] bedauerlicherweise haben Sie die Ihnen bekannte Forderung noch nicht ausgeglichen.“ 

In allen Inkasso-Schreiben von Firmen, welche ich für seriös halte, konnte ich immer Angaben darüber finden, wer der eigentliche Gläubiger (mit Adresse) ist und wann und wie die behauptete Forderung zustande gekommen war. Diese Angaben bieten dem Adressaten die Möglichkeit, sich überhaupt mit der Forderung auseinander zu setzen.

Stattdessen kommt in dem Schreiben, welches ich zum Anlass für diesen Beitrag genommen habe, erneut Psychologie zum Einsatz: Man bietet eine Pauschalzahlung von knapp unter 200 Euro an, mit welcher alle Forderungen beglichen wären. Daneben steht eine Auflistung, welche Forderungen in einem „nachgerichtlichen Mahnverfahren“ auf den angeblichen Schuldner zukommen würden, nämlich fast 700 EUR.

Ungeachtet dessen, dass der Ausdruck „nachgerichtliches Mahnverfahren“ jede rechtskundige Person zum Lachen bringt, weil es so etwas einfach nicht gibt, weil nämlich die korrekte Bezeichnung entweder das „Gerichtliche Mahnverfahren“ oder nach ergangenem Urteil das „Vollstreckungsverfahren“ wäre, so ist eine solche Differenz unrealistisch und soll nur dazu dienen, den angeblichen Schuldner unter Druck zu setzen: Wenn ich jetzt nicht reagiere, dann wird es viel, viel teurer.

Wie immer in solchen Fällen wird dabei pfleglich vergessen, dass der Gläubiger (also die angebliche Gewinnspielfirma oder bei Abtretung die Inkasso-Firma) vor Gericht den Beweis antreten muss, dass die Forderung zurecht besteht. Stattdessen wird weiter über die schrecklichen Folgen referiert, die bei Nicht-Zahlung auf den Schuldner zukommen würden und man gibt sich menschenfreundlich mit den schönen Satz: „Wir […] möchten immer eine außergerichtliche Lösung finden“, was für mich übersetzt heißt: „Vor Gericht hätten wir (also das Inkassounternehmen) keine Chance.“

Dass in dem Text die Anrede des Schuldners einmal vom höflichen „Sie“ in das persönliche „Du“ wechselt, habe ich dann mit einem Schmunzeln vernommen. Doch erst diesen Satz fand ich dann doch peinlich, was vielleicht Jemanden nicht gleich auffällt, die/der sich damit nicht beruflich beschäftigt: „Bitte nehmen Sie die Zahlung umgehend vor, um das gerichtliche Mahnverfahren einzustellen!“ Hier wird vorgegaukelt, es gäbe bereits ein gerichtliches Mahnverfahren, was aber überhaupt nicht der Fall sein kann.

Wenn gegen Sie ein gerichtliches Mahnverfahren eingeleitet worden ist, dann bekommen Sie Post (in einem gelben Umschlag) von einem deutschen Mahngericht. Dies passiert, wenn dort eine Person (das kann auch eine juristische Person wie eine Firma sein) behauptet, sie hätte eine Forderung gegen Sie, die sie vor dem Gericht genau bezeichnen muss. Wenn diese Person dann die Gebühren für das Gericht entrichtet hat, dann verschickt dieses ohne weitere Prüfung des Sachverhalts an den angegebenen Schuldner einen Mahnbescheid. Dieser hat dann 14 Tage Zeit, sich dagegen zu wehren, denn danach wird der Bescheid rechtskräftig und kann vollstreckt werden.

Weil aber das Gericht überhaupt nicht geprüft hat, ob die Forderung zu Recht besteht, wird mit dem Mahnbescheid ein Vordruck mitgeschickt, wo man Einspruch einlegen kann. Wenn dieser durch das rechtzeitige Abschicken des unterschriebenen Formulars eingelegt wurde, ist das Mahnverfahren beendet und der Gläubiger muss versuchen, die Forderung vor einem Zivilgericht vorzubringen, wo er in der Pflicht steht, die Rechtmäßigkeit seiner Forderung zu beweisen. Das Mahnverfahren ist letztendlich nur dazu da, um solche Schuldner, die auf nichts reagieren, irgendwann vollstrecken zu können.

Daher ist die Aufforderung, unverzüglich zu bezahlen, um das gerichtliche Mahnverfahren einzustellen, reine Einschüchterung, wenn es überhaupt noch kein Mahnverfahren gibt bzw. gegeben hat. Dieser Ratschlag ist nur dann sinnvoll, wenn es bereits einen rechtskräftig gewordenen Mahnbescheid gibt, denn dann sollte man bezahlen, um weitere Kosten für das Vollstreckungsverfahren zu sparen.

 

Weitere Auffälligkeiten, auf die Sie achten sollten:

Abgesehen davon, dass besagte (Pseudo-) Inkassofirma keine Auskunft darüber gibt, welche Rechtsform (z.B. GmbH) sie hat, aber dafür einen Geschäftsführer benennt, der dafür auf dem beigefügten Überweisungsformular jedoch als Kontoinhaber erscheint, dass sie keine postalische Adresse offenbart, sondern nur ein Postfach anbietet, so hat mich letztendlich diese Angabe stutzig gemacht: „Zugelassenes Inkasso-Unternehmen nach § 10 Absatz 1 Nr. RDG (Az. … )“.

Diese Angabe sagt überhaupt nichts aus. Die Abkürzung RDG steht für „Rechtsdienstleistungsgesetz“, wo besagter § 10 Absatz 1 Nr. 1 besagt, dass Inkassounternehmen behördlich registriert sein müssen, wenn sie die entsprechende Sachkunde nachgewiesen haben. Sinnvoller wäre gewesen, die Behörde zu nennen, bei welcher das Unternehmen (angeblich) registriert sei.

Also: Wenn Sie ein Schreiben dieser Art bekommen, dann können Sie davon ausgehen, dass die Forderung mehr als fraglich erscheint. Letztendlich liegt es an Ihnen, wie sie damit umgehen. Wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, lohnt es sich sicherlich, dieses einem Anwalt zu zeigen. Haben Sie keine Versicherung, dann müssen Sie damit rechnen, dass Sie die Kosten für einen Anwalt selber tragen müssen, wenn sich das scheinbare Inkasso-Unternehmen als Maske eines Betrügers entpuppt, welcher seine Identität verschleiert hat oder welcher einfach nicht auffindbar und damit auch nicht vollstreckbar ist.

Wenn Sie sicher sind, dass die behauptete Forderung nicht rechtmäßig ist, müssen Sie im Grund gar nichts tun und können abwarten, was passiert. Denn wie ich bereits erwähnt habe, muss der Gläubiger beweisen, dass die Forderung zu Recht besteht. Trotzdem schließe ich diesen Beitrag mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass Sie jedoch auf einen Mahnbescheid eines deutschen Gerichts reagieren müssen, weil dieser ansonsten rechtskräftig werden wird, egal, ob die ursprünglich behauptete Forderung zu Recht besteht oder nicht.

 Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesem Beitrag dienlich sein konnte. Weitere Beiträge zum Themenkomplex „Cybercrime“ bzw. „Internet-Kriminalität“ finden Sie auch auf meiner Website [https://bjg-media.de/cybercrime/]. Schauen Sie unverbindlich rein, der Besuch ist garantiert kostenfrei.

Samstag, 2. Januar 2021

Nochmals Warnung vor Fake-Shops und kleine Checkliste

Bereits in Juni letzten Jahres habe ich einen Beitrag erwähnt, dass ich als polizeilicher Ermittler den Eindruck gewonnen habe, dass seit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 Phänomen „Betrug im Internet mittels Fake-Shop“ zugenommen hat. Gerade in der Vorweihnachtszeit, wo wir nochmals einen Lockdown erlebt haben, hat sich das Phänomen meinen Beobachtungen nach nochmals verschärft.


Aus diesem Anlass möchte ich meinen Beitrag vom Juni (Checkliste Fake-Shops) nochmals aktualisieren. Dieser Kurzbeitrag soll den Beitrag vom Juni nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Wer ihn noch nicht gelesen hat, sollte dies nachholen, weil ich dort Grundsätzliches erwähnt habe, was ich hier nicht wiederholen möchte. Verdächtig ist eine sogenannter eShop dann, wenn folgende Kriterien vorliegen:

  • Unschlagbar niedrige Preise. Wenn ein Anbieter die anderen alle überbietet, aber nicht nur mit kleinen Beträgen, dann ist schon mal Vorsicht geboten.
 
  • Werden alternative Zahlarten angeboten, wie zum Beispiel die Zahlung via PayPal oder Abbuchung, dann können Sie dort einkaufen. Bitte aber keine Zahlung via PayPal an Freunde und Verwandte, dann ist etwas faul. Ebenso sollten Sie vorsichtig sein, wenn nur die Option Vorkasse gewählt wird.
 
  • Gibt es nur die Vorkasse, dann Vorsicht! Auf keinen Fall auf ein ausländisches Konto überweisen. Wenn es sich um ein deutsches Konto handelt, dann ermitteln Sie anhand des IBANs, um welche Bank es sich handelt. Es gibt im Internet genügend Programme, wo Sie anhand der Bankleitzahl (das sind die Zahlen 3 bis 10 des IBANs) die Bank ermitteln können. Vorsicht bei Banken, die als Online-Banken bekannt sind. Diese werden gerne von Betrügern (mittels Finanzagenten) genutzt.
 
  • Geben Sie die Website in Google ein. Zahlreiche Verbraucherschutz-Websites warnen davor, wenn ein eShop auffällig geworden ist.
 
  • Lassen Sie sich auch nicht täuschen, dass die Website perfekt aussieht und dass diese ein perfektes Impressum aufweist, das alle notwendigen Daten (Steuer-Nr., Handelsregister, etc.) nennt. Oftmals sind die Daten erfunden oder von einer anderen Firma einfach kopiert worden. Rufen Sie dort an, falls eine Festnetznummer angeboten wird.
 
  •  Ein letzter Tipp für Fortgeschrittene: Wenn Sie in eine Suchmachine WHOIS (who is? = wer ist?) und dann den Namen der Domain eingeben, dann können Sie Daten über die Website bekommen. Wurde diese erst vor kurzem registriert oder über einen Server im Ausland, dann bitte auch Vorsicht.


Eine 100%ige Sicherheit gibt es nicht, aber ich beobachte oft, dass ein bisschen Misstrauen schon ausgereicht hätte, um größeren Schaden zu vermeiden. Deshalb habe ich diese Ratschläge gerne nochmals wiederholt.

Freitag, 27. November 2020

Merkwürdige Praktiken einiger Rechtsanwälte bei Inkasso-Geschäften

Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. So lautet der § 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung. Was das im Einzelnen bedeutet, darüber will ich in diesem Beitrag gar nicht näher eingehen. Aber ich denke, dass es keine zwei Meinungen geben sollte, dass man landläufig (auch) darunter verstehen kann (oder sogar muss), dass die Tätigkeit eines Rechtsanwalts eine solche ist, der man bedingungslos vertrauen kann, ja sogar vertrauen muss.

Jeder Mensch kann einmal irren, jeder kann mal Fehler machen. Davon rede ich nicht, sondern es geht mir darum, wie ein Beruf grundsätzlich ausgeübt wird. Der Anlass für diesen Beitrag war der, dass mir in letzter Zeit Schreiben einzelner Rechtsanwälte begegnet sind, wo ich erhebliche Zweifel daran habe, ob deren Schriftsätze mit der Berufsethik, die der Beruf eines Rechtsanwalts haben sollte, noch vereinbar sind.

Um keinen falschen Eindruck aufkommen zu lassen: Ich will keine allgemeine Rechtsanwaltsschelte betreiben, aber gewisse Anwälte, die es offenbar zum Schwerpunkt ihrer Tätigkeit gemacht haben, Inkasso von Online-Händlern zu betreiben, agieren nach meinem Dafürhalten mit Methoden, die aus meiner Sicht sehr fragwürdig sind. Dabei geht es auch nicht darum, dass Inkasso-Geschäfte zum Tätigkeitsbereich eines Rechtsanwalts gehören. Es geht vielmehr um die Art und Weise, wie diese ausgeübt wird, wenn es um Online-Geschäfte geht.

Wenn ich meine Arzt-Rechnung nicht bezahlt habe und ich schließlich ein solches Rechtsanwaltsschreiben bekomme, dann ist sicherlich an folgender Formulierung nichts auszusetzen:

Unsere Mandantschaft hat uns beauftragt, nötigenfalls auch gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, sollte die Angelegenheit nicht außergerichtlich erledigt werden können. Auf die damit verbundenen weiteren Kosten und Unannehmlichkeiten weisen wir Sie ausdrücklich hin!

Aber im Gegensatz zu dem von mir gewählten Beispiel, wo es vermutlich unstrittig ist, dass ich die Kosten verursacht habe und deshalb deren Schuldner bin, steht dies gerade bei Geschäften im Internet eben nicht immer fest. Auch hier gibt es keine Regel, denn wenn ich zum wiederholten Male Lieferungen von einem Online-Händler bekommen (und bezahlt) habe, und zwar immer an die gleiche Adresse, dann darf man schon annehmen, dass ich zum Schuldner geworden bin, wenn ich die fünfte oder sechste Lieferung nicht bezahlt habe.

Aber leider nimmt es der Online-Handel bei der Prüfung, mit welcher Person ein Vertrag im Internet abgeschlossen wird, nicht sonderlich ernst und auch was die Auslieferung betrifft, so wird es durch die Praktiken einzelner Transportunternehmen den Betrügern leicht gemacht, die bestellte Ware anonym und fast gefahrlos in Empfang zu nehmen. Ich erlebe es im polizeilichen Alltag leider immer wieder, dass Personen mit einem Inkasso-Schreiben zu mir kommen und erklären, dass sie damit überhaupt nichts zu tun haben. Sehr oft ergeben dann die Ermittlungen, dass die Lieferung an eine Adresse geliefert wurde, die Hunderte Kilometer entfernt war, was die Behauptung unterlegt.

Solange überhaupt nicht feststeht, wer also der Schuldner ist, so ist die eingangs zitierte Formulierung eben nur die ‚halbe Wahrheit‘, weil richtig ist, dass der Gläubiger (das Inkasso-Unternehmen oder der Online-Händler) sehr wohl die Gerichte bemühen kann, aber es eben zur vollen Wahrheit gehört, dass dieses Bemühen zum Scheitern verurteilt ist, weil der Beweis nicht erbracht werden kann, wer der Schuldner ist. Der Hinweis auf weitere Kosten ist nach meinem Dafürhalten schon grenzwertig zur Lüge, wenn der Anwalt genau weiß oder zumindest wissen müsste, dass die nur dann gilt, wenn der Schuldner verurteilt wird.

Der Anlass für diesen Beitrag sind Rechtsanwaltsschreiben, die ich im Rahmen einer Anzeigenerstattung zur Kenntnis bekommen habe, wo die Sachlage noch eindeutiger ist und deshalb aus meiner Sicht deutlich wird, dass es hauptsächlich um Einschüchterung der vermeintlichen Schuldner geht:

Im Internet gibt es Websites, die pornographische Inhalte enthalten. Es ist nicht schwer zu erraten, dass hauptsächlich Männer zu der Kundschaft gehören, die solche Inhalte gerne sehen möchten. Nur kostet das etwas, was nachvollziehbar ist, denn nicht nur der Betrieb der Website verursacht Kosten, sondern auch die Darsteller der Inhalte wollen für ihre Dienstleistung entlohnt werden. Also kostet das Betrachten der Inhalte sozusagen ‚Eintrittsgeld‘.

Um dieses ‚Eintrittsgeld‘ zu erheben, gäbe es verschiedene Möglichkeiten, indem zum Beispiel sofort mit Kreditkarte gezahlt werden kann. Da aber viele der potentiellen Kunden entweder gar keine Kreditkarte haben oder diese dafür nicht einsetzen wollen, bedarf es anderer Lösungen.

Eine denkbare Lösung wäre, dass der Kunde seine Personalien eingeben muss und dann (online) eine Rechnung erhält. Sobald er das Geld bezahlt hat, ist das ‚Eintrittsgeld‘ entrichtet und er kann sich an den Inhalten bedienen. Aber auch diese Lösung scheidet für viele Betreiber aus, obwohl es eine sichere und saubere Lösung wäre, denn diese Prozedur dauert zu lange. Der Kunde ist jetzt im Moment scharf darauf, die versprochenen Inhalte zu konsumieren und wird zu einer anderen Website surfen, auf die der Zugang wesentlich schneller geht. Da die meisten Betreiber solcher Porno-Sites so denken und schließlich untereinander in Konkurrenz stehen, hat sich ein schnelles Verfahren durchgesetzt, welches aber letztendlich auf Vertrauen und Ehrlichkeit setzt:

Der Kunde muss sich zuerst einmal anmelden, wobei man im ersten Schritt nur eine E-Mail-Adresse braucht. Diese kann man sich bequem von einem der vielen Freemail-Provider auch unter falschem Namen (also anonym) besorgen. So kommt man also schon einmal in das „Vorzimmer“ der Website, wo man zumindest schon erkennen kann, was einem erwartet, wenn man schließlich ganz drin ist.

Wer ganz rein will, muss jetzt ein Online-Formular ausfüllen, wo nach seinen Personalien und seiner Bankverbindung gefragt wird. Sobald dies geschehen ist, öffnet sich die Pforte zum (virtuellen) Paradies. Wer ehrlich ist, der gibt seine richtigen Personalien und seine Bankverbindung an. Das ‚Eintrittsgeld‘ wird dann einfach vom Konto abgebucht. Allerdings öffnet sich die Pforte auch dann, wenn man die Personalien des Nachbars und die Bankverbindung seines Autohauses eingibt, die auf der letzten Rechnung gestanden hat. Überprüft wird das nicht, denn der Computer, der den Zugang frei gibt, kann die Daten höchstens auf Vollständigkeit und Plausibilität prüfen.

Zurück zum Schreiben des Rechtsanwalts, aus welchem ich zum Eingang meines Beitrags zitiert habe: Etwa ein halbes Jahr hat irgendeine Person an die virtuelle Pforte der Website geklopft und hat, um Einlass zu bekommen, irgendwelche Personalien und eine x-beliebige Bankverbindung eingegeben. Die Pforte hat sich danach geöffnet, aber als die Betreiberin der Website (eine Firma mit Sitz im Ausland) das Geld abbuchen wollte, hat der Kontoinhaber Widerspruch dagegen eingelegt. Schließlich hatte er offenbar mit der Sache nichts zu tun, weil die Bankverbindung wahllos gewählt wurde.

Die Sache wurde nun einem Inkasso-Unternehmen übergeben, welches zunächst feststellte, dass der Otto Mustermann an der angegebenen Adresse offenbar gar nicht auffindbar ist. Also recherchierte man in irgendwelchen Quellen und fand schließlich heraus, dass es tatsächlich einen Otto Mustermann gibt, auch wenn dieser an einem ganz anderen Ort wohnhaft ist. Also schickte das Inkasso-Unternehmen diesem Otto Mustermann ein Schreiben mit der Aufforderung, die noch offene Forderung so schnell als möglich zu begleichen. Das macht natürlich Herr Mustermann nicht, weil er mit der ganzen Sache nichts zu tun hat und von der besagten Website noch nie was gehört hat.

Wenn nun das Verfahren zu Ende wäre, dann gäbe es meinen Beitrag hier nicht. Aber leider erlebe ich immer wieder, dass die Forderung schließlich einem Rechtsanwalt übergeben wird, der schließlich ein Schreiben mit solchen Formulierungen, wie ich sie eingangs zitiert habe, an Herrn Mustermann schickt. Wenn damit Herr Mustermann eingeschüchtert wird, weil er an die möglichen Folgen denkt, dann wird er bezahlen. Anderenfalls geht er damit zur Polizei.

Was ist an diesem Schreiben auszusetzen? Dazu zitiere ich aus einem ähnlich lautenden Schreiben:

Ich weise rein formell darauf hin, dass Online Geschäfte im Internet denselben Gesetzen und der Gerichtsbarkeit unterliegen wie alle anderen Rechtsgeschäfte und daher von verbindlicher Natur sind. Sollten Sie den oben aufgeführten Betrag nicht innerhalb der vorgegebenen Frist einzahlen, werde ich meiner Mandantin empfehlen, die Forderung gerichtlich geltend zu machen, wodurch zusätzliche Kosten für Sie entstehen können. Beachten Sie bitte auch, dass unsere Kanzlei Vertragspartner der SCHUFA ist.

Rein formal ist an dem Schreiben nichts auszusetzen, aber die halbe Wahrheit ist, wenn dadurch der Gehalt der Aussage merklich verändert wird, so verwerflich wie eine Lüge. Die ganze Wahrheit würde sich wie folgt anhören:

Meine Mandantin hat keine Beweise dafür, dass Sie unser Schuldner sind. Wenn Sie es nicht freiwillig zugeben, dann können wir das unmöglich vor Gericht beweisen. Falls sich meine Mandantin trotzdem entschließen sollte, zu versuchen, die Forderung in einem Gerichtsverfahren durchzusetzen, dann könnten hierdurch erhebliche Kosten für Sie entstehen.“

Das wird natürlich kein Rechtsanwalt so schreiben, aber angesichts der Erkenntnis, die der Anwalt haben müsste, dass er die Forderung mangels Beweisen nie vor Gericht erfolgreich geltend machen kann, finde ich es moralisch höchst verwerflich, Menschen damit zu konfrontieren, die sich im Recht nicht oder nur unzureichend auskennen und schließlich noch mit der SCHUFA zu drohen.

Warum tun dies aber gewisse Rechtsanwälte überhaupt? Die Antwort ist einfach: Aus den Schreiben, die mir bei einer Anzeigeerstattung bekannt wurden, war jedes Mal zu entnehmen, dass nur die Kosten der Mandantschaft gefordert wurden. Ist also der Rechtsanwalt ohne Bezahlung tätig geworden?

Tatsächlich ist es so, dass zunächst die Person oder die Firma, die den Anwalt beauftragt hat, für die Kosten aufkommen muss. Ein Anwaltsvertrag ist grundsätzlich vergleichbar mit jedem anderen Dienstleistungsvertrag: Wer den Auftrag erteilt, der bezahlt. Wenn jedoch eine gerichtliche Entscheidung ergeht, dann trägt die Partei, die verloren hat, regelmäßig die Kosten. Nach meinen Informationen gilt das auch für eine außergerichtliche Einigung.

Wenn Herr Mustermann also einmal gezahlt hat, dann gilt das als eine solche außergerichtliche Einigung und er kann darauf warten, bis die Rechnung des Anwalts noch dazu kommt. Aber genau hier können Sie unter Umständen zum Gegenschlag ausholen, wenn sie nicht gezahlt haben oder nicht zahlen wollen:

Beauftragen Sie selbst einen Anwalt, der ihre Interessen vertritt. Mir ist aus verschiedenen Berichten von Betroffenen bekannt, dass folgendes Vorgehen zum Erfolg führte: Der Anwalt von Herrn Mustermann wendet sich an den Anwalt des Inkasso-Unternehmens und teilt mit, man möge die Beweise vorlegen, dass Herr Mustermann tatsächlich der Schuldner sei. Alsbald wird der Anwalt des Inkasso-Unternehmens mitteilen, dass man die Forderung nicht länger verfolge.

Er macht dies, weil ihm die Beweise fehlen, aber das wird er nicht zugeben. Ganz egal, ob er als Begründung angibt, dass es sich um ein bedauerliches Büroversehen handle oder sonst eine andere Begründung liefert: Tatsache ist, dass es eine außergerichtliche Einigung gegeben hat und die Gegenseite (also Inkasso) nun die Kosten (für den Anwalt von Herrn Mustermann) übernehmen muss.

Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass ich selbst einen solchen Fall noch nicht praktiziert habe und deshalb keine Gewähr auf Richtigkeit abgeben kann. Holen Sie sich deshalb eine verbindliche Auskunft des Rechtsanwalts ein, wenn Sie diesen Weg gehen wollen. Fragen kostet nichts, weshalb Sie zumindest diesen Vorschlag zur Prüfung unterbreiten sollten.

Ich schließe meinen Beitrag damit, dass diese Ausführungen auch sinngemäß für Bestellungen und Lieferungen im Internet gelten, weil die Vorgehensweise der Online-Händler, anschließend der Inkasso-Unternehmen und der in ihrem Auftrag handelnden Rechtsanwälte in vielen Fällen vergleichbar ist.